Jeder Tag bietet neue Aussichten

Mein nomadisches Reiseleben hab ich also bis auf unbestimmte Zeit gegen ein stationäres Schrauberdasein in Danyi / Togo getauscht. 8-12Uhr und 14-18Uhr ist grob und je nach Laune als Arbeitszeit angesetzt. Muss ja meinem einheimischen Mitarbeiter deutsche Gründlichkeit vorleben. Jedoch genieße auch ich das afrikanische Flair und die Laune sowie das Wetter bestimmen was man wann machen kann. Noch ist kein dichtes Dach über der Werkstatt und eher Regen als Sonnenschein behindern folglich. Die Regenzeit hat übrigens voll eingesetzt. Die letzten Wochen schon eher wolkig und trüb als warm und sonnig. Richtiger Regen eher selten aber die Luftfeuchte dauerhaft viel zu hoch, einige Lederklamotten haben schon Schimmel angesetzt. Da hab ich es doch lieber wenn es mal ordentlich schüttet und danach wieder klar ist. Mein Heim mit dem Zeltaufbau ist immerhin auch diesen Gegebenheiten gewachsen.

Und wenn dann mal die Sonne scheint ist effektives Lüften auch einfacher als in jedem geschlossenen Kasten. Die Walküre punktet also auch auf diesem Gebiet und selbst mit nur halb installiertem Zelt im Bereich des Alkoven kann ich dank der Reißverschlußfenster für Durchzug sorgen. Betten lüften und auch die Matratze mal atmen lassen. Wie man sieht eine mit Federkern und deshalb kein kompaktes Stück Schaumstoff dass sich im Inneren vollsaugen kann. Das hohe Gewicht solcher Matratzen akzeptiere ich aus Erfahrung gerne gegen die Sicherheit dass die hier nie schimmeln wird.

Ich bin umgezogen, hab meinen Stellplatz um ca 200m gewechselt und stehe nun unterhalb, quasi hinter dem Hotel näher an der Werkstatt. Jedoch wurde auch dort eine Stelle am Hang gefunden die mir eine gigantische Aussicht garantiert… wenn man mal nicht Wolken vor der Nase hat. Bis zum Mont Agou und die kleinen Hügel davor, im Besten Falle bis rüber nach Benin.

Der Morgen startet meist verheißungsvoll und die Sonne erscheint kurz vor 6Uhr direkt hinter meiner Terrasse. Nach einer klaren Nacht sind dies die Momente wo man gerne mal in die Ferne starrt.

Die Stunden zwischen 7-10 sind dann meist im Nebel und Dunst versteckt, da die Sonne Feuchtigkeit aus dem Tal zieht und daraus Wolken bastelt die dann zu mir hochziehen… Solange sie mich noch nicht eingehüllt haben auch ein Schauspiel.

Das geht dann aber soweit, dass richtig sichtbare und spürbare Nebelschwaden und Dunstwolken durch meine Hütte ziehen und ich Türen und Fenster schließe um die Feuchte draußen zu lassen. Wohin diese Wolken dann ziehen entscheidet der Wind, meist aus Ghana also Westen kommend ziehen die Regenspender häufig wieder zurück über die Ebene aus der sie kommen um dort für gute Ernten zu sorgen. Der Regen immerhin notwendig um für die Trockenzeit gewappnet zu sein.

Die gleiche Aussicht mit etwas freundlicheren Umständen hat dann der nächste Tag zu bieten und so wird es auch hier nie Langweilig.

Langeweile keimt höchstens nach zwei drei Stunden durch Schlechtwetter im Truck eingesperrt sein auf. Dann bin ich meist fertig mit Kochen, hatte genug Hörbuch oder nen Film durch und will wieder raus. Zweimal die Woche geht es mit dem Moped zum Einkaufen, meist am Markttag in den entsprechenden Ortschaften. Nicht weil das Angebot dann größer ist, sondern weil einfach was los ist im Gegensatz zum Rest der Woche.

Nebst nem vollen Rucksack mit Obst und Gemüse, frischem Fleisch und Tofu gönne ich mir dann meist noch ne Portion Fufu, hier im Bild mit Ziege in üblich viel zu scharfer Sauce. Das kleine Restaurant mitten am Markt ist ein mit Palmenstängeln umzäuntes Hüttchen mit einer Art Biertischgarnitur an der immer was los ist. Man kennt mich nun und begafft mich nicht mehr auf Schritt und Tritt, hat echt Vorteile wenn man sich regelmäßig sehen lässt.
Diese „Besonderheit“ Weißer zu sein nervt echt und fühlt sich nicht privilegiert sondern ausspioniert an. Man ist immer der „Jovo“ und könnte ja mit Geld vollhängen oder mit generösem Gehabe Geschenke verteilen wie wohl zu Kolonialzeiten oder heute noch von möchtegern Entwicklungshelfern oder Touristen üblich. Ich selbst fühle mich eher der Lebensweise hier nahe und wäre gerne etwas unbeachteter. Klar ist das Wunschdenken, denn all die Wochen die ich nun freitags den Markt in Danyi Apeyeme hier oben auf dem Plateau besuche hab ich noch keinen anderen Nichteinheimischen gesehen.

Einmal hab ich Josias mitgenommen, mein immer hilfsbereiter Kumpel ging dann noch mehr in seiner Zuvorkommenheit auf und wollte mir unter den Blicken der Anderen die Tasche tragen, das muss ich ihm noch abgewöhnen. Mit ihm und seiner Hilfe am Projekt bin ich sehr zufrieden, er wiederum ist überrascht wie ein Deutscher Dinge angeht und mit Köpfchen durchzieht. Hat das mehr als einmal angesprochen und freut sich von mir lernen zu können. Seine Frau ist nun auch zurück und ist positiv überrascht dass er Arbeit gefunden hat. Ihre Kinder gehen in Lome zur Schule und wohnen bei der Verwandtschaft, sie war grad ne Weile dort weil einer sich den Arm gebrochen hatte. Familien sind hier häufiger mal geraume Zeit nicht zusammen und selbst Telefonkontakt ist dann schwierig weil Togocel recht teuer sich ne goldene Nase an der Bevölkerung verdient. Nun ging auch noch Josias Telefon kaputt und ich besorgte ihm als Vorschuss ein aktuelles Sonderangebot für umgerechnet 12,-. Ein simples Telefon mit Lampe, Radio und macht sogar Fotos… machte ihn super glücklich und Stolz, er erzählt und zeigt es jedem den wir unterwegs treffen.

Vielleicht nehme ich ihn nach Lome mit wenn ich in den nächsten Wochen meine Fahrt zu Besorgungen in die Hauptstadt tätigen werde. Der Unimog braucht noch zwei Reifen, ein paar Ersatzteile und Materialien sowie Kleinigkeiten an Werkzeug. Alles Dinge die es weder hier auf dem Markt noch in den umliegenden größeren Dörfern gibt. Wer in Togo was sucht muss nach Lome… raus aus dem Paradies.

Es ist für mich wirklich ein Paradies, da ich zu jeder Tageszeit Vögel höre und in jede Richtung wilde Natur beobachten kann. Selbst in der Werkstatt bin ich umringt von hunderten Eidechsen, Geckos und anderem haarlosen Kriechgetier mit Schwanz. Kleine mit grünen Köpfen, die großen mit dem Regenbogenmuster, andere unscheinbar graue die einen Schlangenartigen Körper sich geschmeidiger bewegen. Doch eines haben alle gemeinsam, flinke Burschen und das kann auf dem Blechdach schon eine Geräuschkulisse geben.

Schmetterlinge und Nachtfalter sind noch häufig und Insekten aller Art sowieso. Größeres ist ausgerottet und aufgegessen, oder versteckt sich gründlich als letztes seiner Art. Da sieht man bei uns häufiger nen Eichhörnchen, Wildschwein oder den Fuchs. Schade, aber das ist Afrika heute. doch auch die kleinen Dinge sind faszinierend, so hab ich auf der Piste eine Prozession beobachten können.

Die Piste übrigens ist immer wieder ein Erlebnis. Die Serpentinenstraße runter zur Hauptstraße bietet 12km puren Spaß. Auf dem folgenden Foto sind das die Windungen zwischen Zielflagge und grüner Fahne rechts daneben.

Wenn ich mir mal nen Tag frei nehme und ne richtige Motorradtour plane hab ich dafür auch schon die passende Strecke gefunden. Hier oben immer weiter dem Plateau folgend durch unbekanntes Terrain nach Norden. Dann runter auf die Hauptstraße und auf dem Rückweg einkaufen. Man muss ja seinen Horizont auch mal etwas erweitern. Bin gespannt.

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