Tapetenwechsel fällig, vom Dschungel zurück zum Strand

Nun also zurück zum realen Leben in Westafrika. Ich hab die Malaria überstanden, wenn es wirklich eine war, auf jeden Fall stimmten die meisten Symptome und die Medikamente wirkten. Aber auch die Nebenwirkungen waren wie angekündigt, Schlaflosigkeit und Halluzinationen – zumindest hatte ich dermaßen komische Bilder im Kopf wenn ich nur versucht habe die Augen zu schließen. Man fühlt sich schlapp und elend und am schlimmsten appetitlos. Das zehrt an den Kräften und so vertrieb ich mir den Großteil der Zeit mit Hörbüchern um irgend eine angenehme Position auf der Couch zu finden. Der Ausblick nach hinten durch die Chaosbude oder halt nach vorne in den Dschungel.

Ich hatte also genügend Zeit um Nachzudenken, um Pläne zu schmieden und zu träumen. Vielleicht war das der ausschlaggebende Faktor der meine Reiselust wieder weckte. Immerhin bin ich in den letzten 6Jahren nirgends so lange an einem Ort geblieben wie hier. Nichtmal in der Heimat beim früheren sommerlichen Reisekasse aufbessern, dank mobiler Mechaniker Lösung. Auf jeden Fall hatte ich genug vom Dschungel und brauchte einen Tapetenwechsel, doch nix überstürzen. Erstmal ging es nach Wiederherstellung meiner Grundphysis ins nahegelegene Krankenhaus was immerhin einen 30km Ritt durch den Busch mit dem Mopped bedeutete. Hoffentlich lassen die mich da auch wieder raus. Das Ganze Prozedere wegen Corona natürlich etwas zugespitzt, überall Hände desinfizieren und Mundschutz tragen, Handschuhe sollten mir noch aufgeschwatzt werden, hatte aber meine Motorradhandschuhe dabei und sah dann wohl zusammen in den Motocrossstiefeln echt wie ein Außerirdischer aus. Bürokratie wie üblich vor allem anderen. Ein Heftchen musste ich kaufen in dem alle medizinischen Fakten eingetragen werden, dann bezahlte ich für eine Konsultation mit dem Doktor bevor ich überhaupt das Wartezimmer betreten konnte.

Zuerst musste ich aber meine Geschichte zwei Schwestern schildern die alles brav ins Heft eintrugen, meine Größe, Gewicht und Blutdruck sowie Temperatur nahmen… dann wieder warten. Lustige Erklärungstafeln an den Wänden, aktuelle und auch schon vergilbte. Bilderklärungen afrikanisch.

Der Doktor bekam dann erneut meine Malaria Geschichte zu hören und dass ich gerne einen Statusbericht zu meinem aktuellen Zustand hätte, sprich Bluttest. Stempel ins Heft, Bluttest vorne an der Kasse zahlen und dann ab ins Labor. Um mal Preise zu nennen, Heft 500,- Konsultation 1500,- Bluttest 4000,- (Kurs 1:650 Tagesverdienst Togolese um 1500-2000cfa)
Das Labor dann in einer sehr ruhigen Etage ohne Besucher, die Wartebank neben diesen antiken Automaten war mir sehr angenehm und ich hatte meine Ruhe. Nettes Ambiente.

Die Blutabnahme dann professionell und alles steril, das Ergebnis hat der gleiche Techniker direkt im Anschluss mit Hilfe einer Kollegin ausgewertet. Mikroskop und noch zwei Ampullen für chemische Tests, immerhin. Ich durfte mal gucken und später sogar ein Foto machen.

Das Krankenhaus samt Einrichtung übrigens deutscher Standard in den 70er spätestens 80ern erbaut. Zur Auswertung nochmal zum Doc der meinte es sei alles in Ordnung mit mir. Immerhin hab ich jetzt ein Heft mit Nachweis dass ich mal beim Arzt war und kein Corona habe… Hauptsache Papiere vorzeigbar.

Erleichtert und auch glücklich unbeschadet aus dem KH zu entkommen (kann mich nicht erinnern wann und wo zuletzt mal eines betreten zu haben) hatte ich Bock auf ne Runde Moped fahren und nahm ne andere Strecke zurück ins Camp. Zur Belohnung der überstandenen Abenteuer gönne ich mir nen Fufu on the road. Ein typisch kleines Restaurant unscheinbar in einer Strohhütte am Straßenrand. Keine Ahnung ob von drei Tagen Appetitlosigkeit beeinflusst war das ne echt geile Sauce mit geräuchertem Ziegenfleisch, lecker.

Gefühlt also zurück im Leben und das geht anscheinend seinen normalen Gang zumindest hier im Hinterland. Fahrzeuge auf den Straßen und Händler sowieso am Rand. Nur das Bild von vielen Masken im Gesicht etwas jenseits der Normalität. Dafür hat sich die „Guten Tag“ Werbung mit der Gutenberg Karikatur nun in ein „man ist zusammen“ am Oktoberfest Bild gewandelt. Wenn so der typische Deutsche erwartet wird fehlen mir nur weitere 40Kilo und noch mehr Bart.

Dieser hat in den letzten Wochen übrigens ein Eigenleben entwickelt. Im Busch gab es keinen Spiegel und der tägliche Gang zum Fluss war ausreichend für die Hygiene. hier mal ein Beweisfoto solch entspannter Sitzung im Zio. Der Autor in Farbe und bunt.

Ja, den kleinen Strom werd ich am Meisten vermissen, da kann ein unruhiges Meer nicht mithalten. Atlas genoss auch immer mal ne Abkühlung wenn auch wie erwähnt knapp 30grad und nur knietief.

Trinkwasserqualität und zumindest als Tee gekocht und überhaupt in der Küche genutzt ausreichend, Trinkwasser haben wir ja nochmal durch Terrakotta gefiltert. Dafür dann der tägliche Gang mit Schubkarre und hier mal ner Schüssel Wäsche. in den 6Wochen im Camp hab ich wohl im Durchschnitt täglich 100l geholt, also in 6 Wochen 4500l Wasser durch den Dschungel geschoben.

Das war auch so ziemlich der einzig regelmäßige Gassigang für Atlas, der Weg immerhin schattig und sonst musste ich kaum raus aus dem Camp. Den Großteil des Tages lag er unterm Truck, was ein etwas ekliges Ergebnis herauf beschwor. Mangowürmer genannte Larven von Fliegen die sich unter der Haut von Tier und Menschen reproduzieren. Eigentlich ungefährlich, sieht aber schon komisch aus, wenn man an einer Beule drückt und ein 3x10mm Wurm heraus quillt. Die Wunde desinfiziert bei ihm nach 24Stunden verheilt. Drei solcher Larven hatte ich über die Zeit aus Lefze, Ohr und hier Flanke geholt. Handschuhe nicht nötig, hab den grad bei der Gartenarbeit entdeckt.

Unterm Bus zwar ab und an ausgefegt, aber er verbrachte halt 16Stunden täglich in der Natur. Und dann war so langsam die Zeit des Abschieds gekommen. Ich packte so langsam meine Sachen zusammen, verstaute Sonnensegel und verzurrte das Moped um am nächsten Tag entspannt zu starten.

Es gab nochmal einen lustigen Abend am Lagerfeuer mit Gesprächen und nem lustigen Kartenspiel. Spiele als Hauptzeitvertreib waren mir immer lieber als auf französisch Diskussionen zu folgen. Das kann auf Dauer echt anstrengend werden und die vor der C-Krise angekündigten Deutschen sind ja doch nicht gekommen. Einzig mit dem Spanier hab ich unter vier Augen englisch gesprochen und ohne meine Hörbücher sicherlich die deutsche Sprache in der Zeit verlernt.

Am nächsten Morgen präparierte ich zum Abschluss nochmal ein ordentliches extravagantes Frühstück mit Milchreis und Pfannkuchen. Der Abschied dann doch geteilter Gefühle, da ich weiter will und wie gesagt mich sehr wohl gefühlt habe. Der leere Platz hoffentlich nicht all zu früh zugewuchert, wer weiß ob ich mal zu Besuch wieder komme.

Es ging dann mit zwei Beifahrerinnen den holprigen Weg zur Hauptpiste zurück. Im Camp waren die Mädels seit zwei Tagen zu Besuch. Eine 100% Togolesin und eine zur Hälfte Französin, beide wollten wieder zurück nach Lome, wie passend. Kann nicht schaden denn eigentlich sollen die Straßenblockaden noch Bestand haben, wir lassen uns überraschen und haben zwar keinen Passierschein aber genug Ausreden wie abgelaufenes Visa, Heimfahrt etc…

Blockiert haben aber nur zu Beginn Kühe der Fulani die vor dem letzten Dorf wohnen und den Uangage (Frischkäse) herstellen der ab und an mal den Speiseplan aufwertete. Meine Bestellung vor zwei Tagen hatte aber nicht gefruchtet, und wir fuhren ohne weiter. Die Piste zur Hauptstraße dann wie gewohnt hübsch anzusehen.

Die Route Kpalime – Lome aber eine wahre Pracht zum shoppen. Avocados, Ananas, diesen Käse und Soja(Tofu) dazu noch Bananen und Mangos, Zwiebeln und Tomaten…mein Lager wieder aufgefüllt. Die Fahrt entspannt und nur die drei üblichen Posten diesmal mit Maske ließen uns ohne Nachfragen passieren. Vor Lome noch ordentlichen Fufu zum Mittag gehabt und auch in die Stadt über die Umfahrung ab Noepe ohne Probleme. Der Militärkontrollposten hatte einen zusätzlichen mit Armbinde gekennzeichneten Experten für Corona der drei Leute in einem Auto bemängelte, aber ich lächelte nur und zeigte auf ein passierendes Taxi mit 6Fahrgästen.
Am Straßenrand in Lome dann für 100cfa die erste frische Kokosnuss seit Wochen, dazu endlich wieder Seeluft schnuppern. Die Mädels an der Ecke raus gelassen, mein Ziel stand fest. heute auch nix anderes auf der Agenda. Coco Beach im Stadtteil Avepozo. Im Camp steht mein Kumpel Michi mit seinem UnimoG und für einige Zeit nun auch meine neue Heimat. Der Stellplatz direkt auf dem Strand zwischen Palmen, mit etwas Schwung und Hilfe vom UnimoG direkt in den Sand gefahren, raus interessiert jetzt erstmal nicht. Hauptsache ne Brise und Schatten, Blick auf’s Meer und was ist mehr Paradies als die Kokosnüsse in Griffweite neben sich zu haben….?

2 Gedanken zu “Tapetenwechsel fällig, vom Dschungel zurück zum Strand

    • mb407 schreibt:

      Cooler Spruch, der einzige Beigeschmack sind die ewigen Scherereien mit den nötigen Visa (zumindest in Afrika)
      Kümmere ich mich nächste Woche drum.

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