100.000 das erste große Jubiläum

Von Tidjikja aus muss ich nun wieder zurück nach Nouakchott um dort mein Visa für Mali zu besorgen. Hätte ich auch letztens schon erledigen können um den Umweg zu sparen, möchte aber danach sowieso im Süden des Landes am Senegalfluss entlang, da war ich auch noch nicht. Bisher hab ich in Mauretanien also ziemlich weite Strecken zurück gelegt. Logisch gibt es dabei ziemlich eintönige Abschnitte die echt langweilig sein können.

Wüste zu beiden Seiten und mit den gewohnten 50-55km/h am Tempomat ist das schon fast Meditation. Mein nächstes Zwischenziel Nbeika und damit Ausgangsort für einen Exkurs zu den Krokodilen bei Matmata. Ich hab mich natürlich online informiert und bin noch am überlegen ob ich nur zu nem Ausflug schnell das Moped nutze. An sich gefällt mir das Becken nicht ganz so wie Matraucha weiter im Süden. Es ist sehr groß und weitläufig, hat nicht so gemütlichen Charakter und kaum Bewuchs, wäre also nicht schlimm es auszulassen. Mir geistert nämlich ein Problem durch den Kopf, ich hab keinen einzigen Ouguiya mehr und brauche Treibstoff für Truck und Motorrad. Aber erstmal rein in die Stadt, und hoffen.

Mir verschlägt es die Sprache, was für ein hässliches Nest. Und vermüllt bis über beide Ohren wie man sagen würde. Am Ortseingang schon erwarten mich im Umkreis von einem Kilometer ums rostige Ortsschild locker 20 Tierkadaver die dem Plastik und anderen Unrat noch die geruchliche Note geben. Die Hütten am Straßenrand wie gewohnt das Zentrum der Siedlung und ebenso üblich mehr Sand und Müll als Fahrbahnbelag zu sehen. Eine Bank oder Wechselstube finde ich auch nicht, meine Entscheidung fällt also ziemlich rasch, schnell weiter. Vielleicht hätte ich den fehlenden Liter Sprit irgendwo gegen was tauschen können, aber Atlas müsste im Wagen bleiben und den will ich hier nicht unbeaufsichtigt parken, Herbergen sehe ich keine. Den Exkurs mit der WALKÜRE machen fällt nun auch aus, da ich schnell überschlagen bis zu den nächsten zwei größeren Städten exakt mit dem letzten Tropfen gelangen könnte. Also Abfahrt. Die andere Seite hinter der Stadt sieht dann ebenso wie eine Deponie aus. Mahlzeit.

Nbeika also kann man sich sparen. Eigentlich den ganzen Exkurs bis Tidjikja wie ich finde. Nun geht es erst einmal vom Plateau herunter, etwas abenteuerlich wie ich finde aber mit toller Aussicht auf den nächsten Ort. Irgendwie größer als der letzte, aber fast ausgestorben… und dadurch weniger Müll und schon fast malerisches wüstenflair.

Bei Sangrave erreiche ich die Nationalstraße 3 die die Hauptstadt mit dem Westen verbindet. Hier war ich diese Route kenne ich schon hab aber nicht mehr auf dem Schirm, dass es auch in dieser größeren Ortschaft keine Bank gibt und niemand Euros wechseln will, unglaublich. Ansonsten immer wieder erstaunlich, wie schmal eine Nationalstraße werden kann, wenn Händler mit Waren, Autowracks und anderes sperriges sowie üblich Sand und Müll die Straße versperren. Man kann vergessen trotz Durchgangsstraße nur annähernd fließend durchzukommen. Wenn dir dann noch ein LKW entgegen kommt ist Feierabend und Rangieren angesagt. Bilder klemm ich mir. Ich bin genervt, fahre mit fast stehender Tanknadel auf meine letzte Chance zu wo mir zumindest auf der Karte eine Bank gezeigt wird.

Aleg also und irgendwie genauso chaotisch und eng wie gewohnt. aber es gibt eine Art zentralen Platz, eine Kreuzung die irgendwie das Gefühl von Freiraum vermittelt. Dort finde ich einen Parkplatz. Die Bank hat natürlich zu und die zweite ebenfalls. Schon wieder Wochenende, oder Weihnachten hier auch Feiertag, keine Ahnung. Die Tankstelle kann wechseln, aber wieder werden mir unverschämte Kurse angeboten, wo ich 30% vom offiziellen Wert verschenke, niemand will den Euro. Langsam werde ich unruhig, ich kann hier nicht ohne Diesel weg, zur Not muss ich warten bis die Bank wieder öffnet. EC Karten funktionieren natürlich auch nicht, letzte Chance und erster Versuch mit meiner ganz frischen prepaid Visa, die für solche Fälle beschafft und aufgeladen wurde. Daumen drücken und es klappt, bin wieder flüssig.

Dem unverschämten Geldwechsler der gleichzeitig der Tankwart ist erzähle ich dass ich gleich um die Ecke jemand mit weit besserem Kurs gefunden habe um ihn von seinem Monopol runter zu bekommen. Sprit kostet mit 39UM überall gleich, 41lautet der Kurs zum Euro. Also recht teurer Diesel in Mauretanien, Augen zu und voll machen, samt Kanister. Mein Verbrauch immerhin im Durchschnitt weit weniger als früher und kalkuliert, die 10Liter/100 scheinen real zu sein wenn es nicht durch hartes Gelände geht.
Ich fühle mich besser, hab noch Zeit für einen Bummel und besorge Melone und Kürbis, der Rest stammt anscheinend nicht von hier. Der Durchgangsort immer auch mit Touristenverkehr, trotzdem wird man überall begafft aber das bin ich schon lange gewohnt, lange Haare langer Bart, selten.

Zwei Jungs werkeln an einem Mercedes Transporter der mal ein vorzeigbares und farbenfrohes Exemplar seiner Gattung hier ist. Als Positivbeispiel quasi abgelichtet, wenn auch die Details dem üblichen Standard entsprechen. Beulen überall, kaputte Lichter und rostiges Blech durch Kaltverformung. Fenster sind einfach eckige Löcher in der Karosse, manchmal sogar mit durchtrennten Trägern. Davor eine Plane ist schon Luxus. Werkeln zu zweit bedeutet aber international einer schraubt der andere quatscht und gibt Anweisungen. Radwechsel kann auch so komisch sein. immerhin muss er sich um weniger Bolzen kümmern als von Mercedes vorhersehen. Weitere essentielle Elemente eines mauretanischen Transporters, Dachgepäckträger in mindestens Grundmaß der Karosse, Sandbleche, gerne zwei halbe (besser als ein Ganzes) Folie an der Frontscheibe um den Sichtbereich zu verringern und damit die Sonne vom eintreten abzuhalten, hier aber noch sehr moderat, der dahinter schon eher normal.

Wir quatschen etwas über Technik und natürlich ist das Ding täglich im Einsatz, immerhin sitz alles an seinem Platz und hat anscheinend Funktion, also wirklich ein gutes Exemplar. Und das ist kein Witz, im Vergleich dazu das nächste Bild noch im selben Ort und der ist wirklich vor mir her gefahren.

Leichter Feindkontakt hinten links und dadurch natürlich mit alternativer Türverriegelungsmethode. Sorry für das unscharfe Bild. Ich also wieder on the road und der Nachmittag läuft. Bis zur Hauptstadt definitiv noch eine Übernachtung, also frühzeitig nach was bequemem Ausschau halten. Die Sonne knallt und gegen 16Uhr ist es immer am heißesten. Wenn der Untergrund es zulässt kann man sich eigentlich überall frei bewegen, gefahren wird wo man fahren kann. Schattenspender gefunden.

Zeit für Atlas, Freiheit und als es kühler wird mit dem üblichem Energieüberschuss am Abend rumtoben. Die Sonne schon vor dem Untergang durch viel Sand in der Luft zu einem Schimmer reduziert. Hier im Foto auf meinem Dach reflektiert.

Ausgeruht und aufmerksam geht es am nächsten Tag weiter, Der Straßenbelag nicht der beste und ebenfalls Grund meiner recht überschaubaren Geschwindigkeit. Bodenwellen oder Schlaglöcher zeigt hier kein Schild an, so viele gäbe es auch auf der ganzen Welt nicht. Grundsatz auch deshalb keine Nachtfahrt, sowas kann übersehen schnell zum Verhängnis werden wie man sieht.

Immer die Frage, was war zuerst da, das Loch oder der Unfall. Aber ausgefranst ist der Belag hier überall und manchmal so weit, dass keine zwei gleichzeitig passieren können, man also Glück mit dem Gegenverkehr haben muss oder abbremst wenn einem sein Material lieb ist. Anhalten wollte ich mal an diesem Ortsschild. Keine Piste führt nach Araffat aber immerhin die Richtung stimmt in die einige Spuren durch den Sand führen.

Dann wurde der Belag besser, ich glaub das ist der Bereich wo vor zwei Jahren gebaut wurde, hier mal im Rückblick.

Steppe in Mauretanien

Eigentlich sollten die Wracks nun weniger werden, aber zumindest fallt dieses Monstrum aus der Reihe.

Keine Ahnung welche Tragödie sich hier abspielte, aber das Ding steht da noch ne Weile direkt neben der neuen Fahrbahn. Wahrscheinlich Motorschaden und brannte bis zum Stilstand lichterloh, dann nicht mehr zu retten. Ich hab’s ja schon beschrieben, die China Reisebusse mit Vollgas wie eine Dampfwalze unterwegs, Rammbock vorne, wenn so einer ankommt, reiß aus. einer weniger…

Ich hatte heute noch eine besondere Mission vor. Oder besser gesagt mein Fahrzeug. Die WALKÜRE wird erwachsen, wenn man den Kilometerzähler als Maßstab hernimmt. Das muss gefeiert werden, nicht nur zwischendurch, nein mit Übernachtung.
Es war also spannend, ob und wie ich genau auf die runde Null einen Platz finden kann. Neben der Strecke nichts als Wüste, da kann ich schlecht mehrere Kilometer drin rumgurken, also bis zum letzten Moment warten und spontan entscheiden wo es hingeht. Und siehe da eine Ausfahrt, irgendwie. Wenn auch keine Piste und zum Glück zu keinem Dorf oder Haus aber eine flache geschobene Ebene… Perfekt. Leider nicht weit genug, da sie im Nichts endete.

Und jetzt kommt der Lacher schlechthin. Quasi als letzten Streich in der Jugend haben wir uns beim Wenden festgefahren, ich wollte die Strecke einfach noch einmal rauf und runter um die 100.000 voll zu machen. Also wenden, denkste. Rand unbefestigt, Abflug.

Es sieht nicht sehr spektakulär aus und ein Rad steht auf griffigem verdichteten Untergrund, aber die Kante war schwer zu überwinden da lose und der Stoßdämpfer schon auf dem Boden, Luft ablassen hätte nix gebracht. Die Bleche mussten runter. Zehn Meter hab ich mich durch den Graben gewühlt bis die WALKÜRE wieder oben stand. Ohne Fleiß kein Preis. wenden ist nicht möglich , also Rückwärtsgang. Da war sowas wie ne Kreuzung. Und an der konnte ich in Ruhe meinen kleinen Wendekreis nutzen um Bahnen zu ziehen.
Ja, echt und für Außenstehende wahrscheinlich das komischste was die gesehen haben. Muss man sich mal vorstellen, da kommt ein Typ mit nem Holzhaus der fährt erst in den Graben und als er endlich wieder raus ist sinnlos im Kreis. Wie oft amüsieren wir uns über Sachen deren Hintergrund wir nicht kennen…
Und es waren einige Runden bis die Nullen endlich fielen. Herzlichen Glückwunsch mein Mercedes 608, endlich volljährig würde ich behaupten.

Diese Geschichte mal wieder so schicksalshaft, man kann es kaum glauben. Muss man echt aus der Höhe betrachten. Da fährt der Typ Hunderte Kilometer quer durch die Wüste um einen (un)bestimmten Platz zu finden, der dann aus der Satellitensicht wie ein X in der Wüste aussieht. Völlig ohne Grund ist hier diese verdichtete Fahrbahn, die in alle drei Richtungen im Nirgendwo endet, wenn das nicht mal wieder Bestimmung war. Danke, danke – danke. Das Foto zwar schon in der Dämmerung aber man kann sich die Spuren vor mir denken.

Satelitenbild folgt hoffentlich wenn ich es finde… oder die Straße ist noch zu frisch.

In die Sackgasse hinter mir bin ich dann rückwärts hinein um morgen früh nicht wenden zu müssen. Dabei hab ich wieder was gelernt… Der Tachozähler funktioniert in beide Richtungen, echt wahr. Rückwärts fahren lässt also die Kilometer schrumpfen, ich hab es nachgewiesen. Denn wir übernachteten doch bei 99.999 und nun war es mir auch egal, sollte halt so sein, dass wir zweimal die Hunderttausend erreichen.

Am nächsten Morgen also erneut ein kleines Hochgefühl, und einen kurzen Dank an mein geiles Reisemobil. mit 92.000 in Portugal gefunden. nach 500km Probefahrten dort nun seit 7500 km auf dieser Tour unterwegs und keinerlei Probleme gehabt, abgerissener Auspuff war meine Schuld. Gute Pflege also bei der kompletten Überarbeitung zahlt sich aus. Danke WALKÜRE, auf die nächsten Hunderttausend die sicherlich keine weiteren 35Jahre auf sich warten müssen, das verspreche ich dir. (Ps, es können Schätzungen angenommen werden wann wir also die 200.000 auf dem Tacho erreichen werden)

Heute aber erstmal nicht weit bis Nouakchott der Millionenstadt in der Sahara. Ein Graus wenn man sich den Verkehr, die Verschmutzung, das Elend und alles zusammen so recht überlegt. Die Versorgung überhaupt denn alles bis auf Fisch muss aus allen Richtungen angeschafft werden, selbst der Strom wie die neuen Masten in der Wüste beweisen, Wasser gibt es vielleicht genügend unterirdisch, die Zeit wird’s zeigen. Der Kerl hier hat wohl nix zu lachen, nicht nur seine aktuelle Position sondern wohl auch sein Ziel sind endgültig. Kamele braucht niemand in der Stadt, nur auf dem Teller. Kein schönes Thema wenn man so positiv in den Tag gestartet ist, aber so sind Menschen.

Je weiter man dem Zentrum nahe kommt um so dichter wird die anarchistische Suppe von täglichem Kampf auf den Straßen. Verkehrsregeln wie man sie bei uns kennt? eher nicht, obwohl es in anderen afrikanischen Metropolen noch schlimmer zu geht.

Ich muss aber mitten rein, da ich die Botschaft Malis gerne ohne öffentliche Verkehrsmittel erreichen möchte, wenn schon Unfall dann wenigstens selbst verschuldet. Quasi nebenan kenne ich eine alt ehrwürdige, fast schon Institution genannte Herberge, das Menata. Aber die Gerüchte bestätigen sich, es hat für immer seine Pforten geschlossen, der letzte Betreiber den ich noch kennen lernte ein herzlicher Mensch, der zurück in den Senegal ist wie sein Nachbar behauptet. Schade.

Dieser kleine Hof war schon in den 80ern Platz für Overlander und die Unterkunft bot alles was man brauchte inklusive gutem, günstigen Essen, darauf hatte ich mich echt gefreut. Im iOverlander steht noch eine weitere Herberge, die ebenfalls geschlossen ist, keine Ahnung wo man hier nun zentral absteigt. Die Info zur dritten Ort erreichte mich zu spät, da hatte ich meinen Plan schon geändert. Morgen ist eh Sonntag, raus aus der Stadt. Montag früh dann direkt zur Botschaft, alles wird gut.

5 Gedanken zu “100.000 das erste große Jubiläum

  1. R. Tecumseh schreibt:

    Gestern hattest Du auf eine Leser-Frage zu einem durchaus zentralen Thema (welches viele Reisende in der Gegend betrifft) u.a. geantwortet: « Ich sag überall ich hab mit Politik nix zu tun. »

    Ja, ein nettes Statement, aber eben auch jenseits der aktuellen Realität. Die Bevölkerung der kritischen Gebiete – denen Du jetzt langsam näher kommst – hat fast nie etwas mit Politik zu tun. Trotzdem wird gerade sie zum Opfer politischer und ideologischer Auseinandersetzungen.
    Sagen wir es mal unverblümt: Dein Unterbewusstsein spekuliert immer darauf, dass Du als europäischer Tourist einen Sonderstatus hast, der magische Wirkung entfalten kann. (« Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Walküre und Atlas allein… »)
    Und das ist auch sehr hilfreich, denn sonst müsstest Du tatsächlich zu Hause bleiben.

    Mal eine andere Bemerkung: Du bist doch eigentlich ein cleveres Kerlchen mit wachem Blick. Und da fallen Dir all die Dinge auf, die Deinen (zweifellos vorhandenen Ordnungsinn) stören: Müll allüberall, unbegreifliche Infrastrukturmaßnahmen mit Strassenbau, der Dir nun gar nicht einleuchtet. Noch dazu diese unverschämten Dünen auf dem Asphalt, die immerhin (und wer verstünde es nicht!) für Dein rollendes Haus ein Reiseabenteuer sind, welches es zu bewältigen gilt.
    Sind es nicht aber gerade die – auch unverständlichen – Unterschiede, die Verbindung zum Leben fremder Regionen schaffen; sagen wir mal: Verblüffung und Empathie? Also ohne allfaellige kritische Betrachtung, die in jedem Fall immer nur eine von Aussen bleiben wird.

    Gute Fahrt weiterhin und – neben Platz unter dem Diff – immer stabiles Internet in der Luft!

    Gruss

    Roger-T.

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      • R. Tecumseh schreibt:

        „Antwort sichtbar?“

        Jetzt ja! 😉

        „Der Tachozähler funktioniert in beide Richtungen, echt wahr. Rückwärts fahren lässt also die Kilometer schrumpfen, ich hab es nachgewiesen.“

        Das dürfte hier wohl modellspezifisch sein. LOL

        Aber wer weiss es schon so genau.
        Wenn ich also einen Autofahrer auf dem Supermarkt-Parkplatz geduldig rückwärts fahren sehe, vermute ich nun: es ist ein potentieller Autoverkäufer, der den Karren an den geforderten Verkaufspreis anpassen will.

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