Ein Stück auf der Ebbsandpiste

Ich wollte also schnell wieder raus aus dem Nationalpark, Banc D’Arguin, der zumindest in der Nähe von Menschen eine Müllhalde ist. Die langweilige Strecke auf dem Asphalt war auf die letzten Kilometer schon eine derbe Schlaglochpiste und Geschwindigkeiten jenseits der 30km/h sind verantwortungslos. Also kann ich mich auch nach ner Alternative umsehen und finde eine Piste wie den Abend zuvor am festgefahrenen Strand der Lagune. Dieses Teilstück ist bei maps.me sogar als „old sandpit to Nouakchott“ und damit die legendäre Route beschrieben. Die ersten Meter sehen schonmal vielversprechend aus.

Und dann, meine Augen können es kaum glauben, ein Vogelbeobachtungsposten, also schert sich doch jemand um den Nationalpark. Ca 100m weg von der Route aber auch mit genügend Spuren denen ich ohne Missmut zu folgen vermag. Am Horizont sehe ich schon ein paar Flamingos und Pelikane.

Doch die Vorfreude ist verfrüht, das Hinweisschild kaputt und komplett verblichen und wenn mein Hund schon solches Interesse an einer Hütte zeigt auch nix Gutes.

Es stinkt, ist dreckig und neben den alten Matratzen und Decken die Reste einer Fischmahlzeit. Na viel Spaß auf den billigen Plätzen beim Vögel beobachten. Ich bleib mit meinem Fernglas lieber draußen. Es sind auch echt nur ein knappes Dutzend Vögel, wahrscheinlich noch zu früh in der Saison. Da sieht man ja aktuell in der Carmague in Frankreich oder im EbroDelta in Spanien tausendfach mehr. Mir ist also nach Weiterfahrt. Dieses Vorhaben wird jedoch beim Anfahren sofort vereitelt.

Man muss dazu erwähnen, dass ich ordentlich und leider zu dämlich ein paar Klafter neben die Spuren gefahren bin um nicht in der Piste zu stehen, als wenn hier jemand kommen würde. Auch habe ich wegen der Tausenden Kilometer Asphalt die zur Zeit anstehen die zivile Bereifung drauf und auch keinen Bock gehabt Luft abzulassen weil aufpumpen immer ein Akt ist. Es ist also endlich mal Zeit die Generalprobe für die Sandbleche einzuleiten. Mal schauen wie die sich machen.

Der Winkel beim ersten Versuch leider zu steil und die Bleche etwas rutschig für den feuchten Untergrund der zum Glück nur Sand und kein Schlamm ist. Da muss demnächst also noch eine Verbesserung des Materials her, hab da schon ne Idee. Für jetzt hilft aber nur etwas Gewicht in Form der Kanister loswerden und mit dem Wagenheber ein Stück liften damit die Bleche schon drunter geschoben werden können. Immerhin auch ne halbe Stunde Arbeit die ich so nicht eingeplant habe. Aber wieder mal ein Abenteuerchen überstanden.

Die Bleche haben es gut überstanden, die alten Bordwände der Pritsche ohne Rahmen sind immer noch massig schwer und stabil und trotzdem mit ein paar Sprüngen an der richtigen Stelle auch wieder in Form gebracht um am Fahrzeug montiert zu werden, das mach mal mit Luftlandeblechen und teuren Haltern aus dem Offroad-Zubehör, da passt später nix mehr.

Merke also, auch was fest aussieht muss noch lange nicht die Walküre tragen. Dies ist aber schon ganz anderen erfahrenen Piloten passiert und alles wieder ein Stückchen Neues auf der Erfahrungsliste. Irgendwie doch mal wieder Stolz aufs Material und trotzdem mit Herzklopfen und noch genauerem Auge für die Piste. Vor allem weil das Wasser immer näher scheint und von der andern Seite immer mehr Sand in Sicht kommt.

Ich hab dann irgendwann kein sicheres Gefühl mehr und sehe vor mir kaum noch spuren. Die letzten bogen an ein paar Hütten ab um quer durch den Sand die paar Hundert Meter auf den Asphalt zu überbrücken, wahrscheinlich nur um dem schlechten Fahrbahnbelag zu entgehen. Für mich heißt es also irgendwie wenden. Auch da mal wieder sehr froh über den kürzeren Radstand und die Wendigkeit des Hecktrieblers. Auf dem Rückweg war wenigstens etwa Zeit mal ein paar Sequenzen zu filmen.

Ich muss also nochmal durch verdreckte Dorf und dann wieder auf den Asphalt. Dabei komme ich an einer Senke vorbei, die zwar mit Wasser voll steht aber dank Müll keinerlei Nutzen für irgend eine Art Flora oder Fauna zu haben.

Ich klemme mir weitere Fotos bis ich wieder auf der RN2 nach Nouakchott bin und kämpfe neben den Schlaglöchern mit heftigem Gegenwind. Wenn ich das alles zusammen rechne waren die 120Kilometer Umweg in den Park eine glatte Enttäuschung. Tote Fische in der Lagune, Müll an jeder Siedlung und kaum Vögel zu sehen. Kann man also auslassen. Auf der Hauptstraße wieder die gewohnte Vorgehensweise, 50+ Geschwindigkeit per Leerlaufversteller eingeregelt und mit Hörbuch oder Musik im Ohr der Sonne entgegen.

Es wird merklich sandiger in der Gegend, zumindest türmt sich dieser nun zu Dünen auf und bläst nicht einfach durch die Ebene. Trotzdem muss man echt verrückt sein sich hier irgendwie nieder lassen zu wollen. Die Unterkünfte dann dementsprechend windschief.

Und dann mal wieder einer der noch verrückter als der Autor selbst ist. Diese langweilige Strecke ist mir ja quasi aufgezwungen worden, er hier hat aber anscheinend einen sportlichen Hintergrund seiner masochistischen Reise. Ein um die 50Jahre alter Belgier mit dem ich natürlich kurz ein paar Worte wechsle. Immerhin ist er mit allem versorgt und denkt die 150km bis Nouakchott heute noch zu schaffen. Seit der Grenze ist er zwei volle Tage plus heute im Sattel. Zum Glück Rückenwind.

Nicht nur die Knochen, sondern auch das Material wird erbarmungslos herausgefordert wie das nächste Bild zeigt. Es sind zwar weniger Autowracks als letztes mal am Straßenrand, die Reifen aber räumt niemand weg, die liegen sicherlich noch Jahrzehnte.

Ich glaube mich zu erinnern, dass es zwischen Bou Lanuar und Nouakchott nur die Tankstelle in Chami gibt. Die hier würde ich höchstens in aller not als solche bezeichnen. Doch anscheinend noch in Betrieb. Zumindest ist der Shop noch offen.

Was aber auch wieder schlecht ist, da Reisende schnell ihre Bedürfnisse befriedigen und sich dann keine Gedanken mehr um die Konsequenzen machen. Hier im Nirgendwo gibt es erst Recht keine Müllbeseitigung, aber Wasser und zuckerhaltige Getränke in Plastik verpackt nur 50m weiter. Man bin ich froh meinen täglichen Bedarf seit Jahren selbst mit Osmose zu filtern und wenigstens diesbezüglich echt ein reines Gewissen zu haben.

Da war ich schon echt überrascht, also ich nur ein paar Kilometer weiter eine Abzweigung zum Strand nehme und einen verhältnismäßig sauberen Abschnitt vor dem Marineposten vorfinde. Es hätte zwar locker noch für dutzende volle Säcke gereicht aber man trat nicht bei jedem Schritt auf Müll, also fiel mir die Entscheidung leicht die Tagesetappe schon am Nachmittag als für beendet zu erklären.

Die Terrasse direkt am Strand wie zu erkennen und nach Sonnenuntergang auch keine Besucher mehr. Die Fischerboote kamen auch erst wieder nach der Dämmerung am Morgen ins Wasser. Hat also mit meinem Schlafrhythmus gepasst und war für eine Nacht ein toller Platz. Gassi und Jogging am Morgen mit Füßen im Atlantik. Und dann voller Energie hinters Steuer in Richtung Hauptstadt.
Ich hab es trotzdem noch nicht ganz aufgegeben die Großstadt auslassen zu können. Aus meinem Plan A wurde wegen zu viel Sand am Erzzug ein mit Exkurs in den Nationalpark 500km Umweg und das nur bis zum Scheitelpunkt, da der Weg in die andere Richtung noch aussteht. Ich traue aber meiner Karte die mir eine kleine Piste am Flughafen, der nördlich Nouakschotts liegt, eine Abkürzung ohne in die Stadt eintauchen zu müssen zeigt.

Die Straßen wie gewohnt überdimensioniert, da der Flughafen doch sehr dürftig frequentiert ist. ich stehe über eine Stunde auf nem Parkplatz in der Nähe um endlich 3G Internet zu nutzen und höre nicht einen Flieger. Die Abbiegung auf meine gezeigte Piste ist dann im Bild zuvor rechts zwischen den Laternen zu sehen. 30 Kilometer Piste gegen 65km außen rum und durch die Stadt, klingt verlockend. Die ersten Meter sieht das auch noch ganz gut aus.

Doch dann werden die Bodenwellen größer, die Spuren dünner und der Bauschutt an den Rändern türmt sich. Die Route wird zwar von beiden meiner Karten (Maps.me und das neue map out) angezeigt aber diese Installation hier spricht eher dagegen. Ich überlege noch kurz ob ich die Steine zur Seite räume und mich überraschen lasse, doch wende dann doch lieber.

Und in diesem Moment merke ich, dass ich im nächsten Abenteuer stecke. Aus der Wüste neben mir kommen Sandtarn tragende Soldaten angepeilt. Jetzt erkenne ich auch den Pickup mit der fetten Wumme auf der Ladefläche, ebenfalls gut getarnt im Hintergrund. Da ist wohl ne Art Basis. Die drei Jungs im Eilschritt zu mir sind anscheinend militärisch gut geschult, einer nimmt den Weg, die anderen Beiden jeweils 100m voneinander entfernt quer feldein, sodass mir selbst bei nem Angriff mit ner UZI schwer fallen würde alle drei auf einen Streich zu erledigen. Im Gegenzug tragen sie AK47 Sturmgewehre und ich stelle lieber mal den Motor ab und gehe ihnen ohne rasche Bewegungen entgegen. Freundliche Begrüßung und verirrt auf der Suche nach einer Piste zur Straße nach Atar ist meine erste Erklärung. Aufgeregte Kommunikation per Funkgerät, aber sichtlich entspannter die Jungs in den hübschen hellen Uniformen. Ich erkläre mit vorgezeigter Route auf dem Telefon was ich vor hatte und mich erst von den Steinen umstimmen ließ, hab auch keine Verbotsschilder gesehen. Dann durfte ich alles erneut einem Herren am Telefon erklären, der mir deutlich versicherte, dass ich bis in die Stadt muss und es hier keinen Weg gibt. Man verabschiedet sich und leider durfte ich von der Truppe mit Kalaschnikov natürlich keine Fotos schießen.

Was die da in der Wüste treiben ist mir aber ein Rätsel, der Flughafen lag fast schon 3 Kilometer weg und ich befand mich mitten zwischen der RN2 und der RN1 in menschenleerem Gebiet. Genug Adrenalin für heute… aber ich hab je na halbe Stunde Zeit bevor ich wieder zurück auf der Route in die Großstadt bin und da erneut auf die nervliche Probe gestellt werde. Das aber im nächsten Bericht.

Hinterlasse einen Kommentar