in die Wüste zum Orion

Ich fühlte mich also endlich am Ziel, angekommen obwohl kein bestimmter Ort vor Augen. Ich suchte Abgeschiedenheit und Einsamkeit, keine Termine keine Verpflichtungen und nix zu erledigen was nicht warten kann. Jetzt werden einige meinen: “ das macht der Kerl doch schon Jahre so” aber mit dem Bau der WALKÜRE in den letzten Monaten hab ich nochmal gut die Zähne zusammen gebissen um mir diesen Traum zu verwirklichen. Jetzt ist Erntezeit und ich kann die Früchte meiner Arbeit genießen.
An dem kleinen Stückchen Land welches ich für die Nacht auserkoren hatte gibt es nix auszusetzen. Niemand in Sichtweite und Ich hab alles was ich brauche, sogar etwas Internet um mal wieder ne Geschichte zu teilen. Mein Tag startet wie üblich mit dem Sonnenaufgang. Zwei Stunden später gibt es schon angenehme Temperaturen die ein Sonnenbad ermöglichen, Vitamin D fassen und so…

Man hat hier eine der wenigen Gelegenheiten die physikalische Erscheinung des Autors zu betrachten, zerzaust und unrasiert aber glücklich. Nach einer Runde sportlicher Gymnastik und einem Obstsalat zum Frühstück sitze ich sehr bequem in einem sonst recht sperrigen Sitzsack mit Styropor gefüllt welcher bei einem anderen Reisenden genau aus diesem platzraubenden Argument abgeladen wurde. Auf jedem Untergrund und erst recht auf der Terrasse ein Lümmeltraum. Die Umgebung steinig und wüstenartig. Wer genauer hinsieht erkennt aber trotzdem mit natürlichem Leben gefüllt.

Na wer hat die Pflanzen auf dem vorherigen Bild entdeckt… Robust, getarnt und sehr widerstandsfähig erscheint dieser Wüstenbroccoli bei näherem Betrachten als ein Wunder in dieser kargen Umgebung.

Wer genauer sucht findet mehr als gedacht davon in der Umgebung. Ich hoffe nur ich habe keine davon beim Ankommen überfahren.

Das Stückchen Land vor mir war mal als Feld angelegt. Dreietagenwirtschaft wie gewohnt. Die Palmen beschatten die niederen Obstbäume und diese wiederum den Salat auf dem Feld. Felder wie mit dem Mais letztens beschrieben eher kleine Beete mit Bewässerungsgräben und einem Wall als Umrandung, damit das ganze Areal geflutet werden kann. Wasser gab es hier aber länger nicht und deshalb wohl die Aufgabe dieser Anlage.

Wenn in Pflege und Benutzung sieht sowas sonst grün und strukturiert aus. Hier noch mit jungen Palmen im Wachstum, also recht frisch angelegt wie es scheint.

Bei der Abfahrt entdecke ich in der Nähe noch eine Bienenfarm die wie bei uns auch elementar bei der Bestäubung von Pflanzen ist und nicht nur zur Honigernten taugt. Simple Kisten mit etwas Pappe obendrauf als zusätzlichen Sonnenschutz.

Ich hatte an diesem Morgen Zeit mir Gedanken zu machen wo es nun überhaupt hin gehen soll. Über Merzouga die Piste nach Zagora um von dort zum Festival nach M’Hamid zu gelangen steht ja quasi fest. Bis dahin ist aber noch Zeit und ich hab gestern was auf maps.me entdeckt. Warum also nicht ein kleines Abenteuer zwischendurch. Mitten im Nirgendwo und fernab selbst jeglicher eingezeichneter Pisten muss sich mein Expeditionsmobil nun also mal einer echten Herausforderung stellen.

Zuerst aber geht es einige Kilometer auf der Hauptstraße zurück durch die Stadt und dann in Richtung Osten. Asphalt unter den Rädern und etwas höhere Geschwindigkeiten zeigen mir an dass irgendwas mit meiner Lenkung komisch ist, Lenkspiel hatte ich vorher noch nicht am MB608. Die Kontrolle ergibt lose Schrauben am Lenkgetriebe, das ja auch erst bei der Restauration überarbeitet wurde. Rechtzeitig gemerkt und Ursache natürlich die Rüttelpisten der letzten Tage. Die erste OP am Straßenrand und es läuft weiter wie gewohnt.

Ich biege ab ins Oued Tarda und passiere den kleinen gleichnamigen Ort in dem die Zeit stehen geblieben scheint. Abseits der Hauptrouten verirrt sich hier wohl selten ein Tourist. Wasser und damit mögliche Vegetation, alles was man zum Leben braucht.

Ich spazierte einmal durchs Dorf um festzustellen, dass dort mit dem Truck kein Durchkommen ist und man die kleine Piste auf der anderen Seite nutzen muss. Von dort ein Super Ausblick auf den ganze n Ort mit verfallenen Lehmgebäuden und neuen daneben. Brunnenanlagen und besagten Feldern.

Strecke von Tarda in die Wüste VIDEO

Dahinter dann pure Wildnis, Landschaft ohne Zivilisation bis zum Ende des Horizonts. Ich muss mit der Walküre einmal den Spuren durchs Flussbett folgen und dann hoffentlich immer dieser Piste folgen um am Ziel zu landen.

Dritter Gang Standgas um 20-25km/h. Es rüttelt und schüttelt und staubig ist es auch, Pistenfahrt muss man mögen. Zumindest entschädigt die Umgebung und das Gefühl, dass hier nicht jeder vorbei kommt. Mein angesteuertes Ziel ist wie sich heraus stellte doch eine Sehenswürdigkeit die mit Geländewagen von der anderen Seite als Ausflugstouren besucht wird. In das Gebiet komme ich aber von Norden her um im Süden dann wieder auf Asphalt zu stoßen. Was mich zwischendurch erwartet weiß ich nicht.

Ödnis.

Alle Spuren irgendwie grob in eine Richtung, immerhin.

Und das tolle Gefühl eine Oase entdeckt zu haben. Sogar mit Brunnen und dementsprechend immer wieder Anlaufstelle für Nomaden mit ihren Viechern.

Ja, nach ner Stunde nur Geröll um sich herum schätzt man erst wieder den Anblick von den hier sonst gewöhnlichen Dattelpalmen.

Das angesteuerte Ziel ist dann etwas später schon am Horizont erkennbar. Dazwischen aber wie fast zu erwarten gewesen sandige Abschnitte wo die WALKÜRE durch muss. Etwas Erfahrung im Sand habe ich ja schon mit dem MB407, wo jedoch die Leistung nicht ausreichend war die Traktion der Räder im losen Untergrund zu nutzen. Vom Gewicht her bin ich mit dem 608 jetzt fast sogar schwerer aber im Sand viel agiler.

Grenzen austesten hieß es und ich bin mit vollem Luftdruck, also 5bar in den Reifen hinein. Selbst das geht besser als gedacht und bei Halbgas im zweiten buddelt sich mein Gefährt voran. Doch irgendwann ist damit Schluß und ich hab die Grenze gespührt und erreicht. Fest steckt er und muss dann wohl mal raus.

Erste Regel im Sand, Luftdruck reduzieren um den Reifen eine größere Auflagefläche zu geben. Deshalb auch die fetten Schlappen auf den 16Zoll Felgen an der Hinterachse, da tut sich noch was wenn man auf 2 bar reduziert. Die vier Sandhaufen vor den Reifen etwas wegbuddeln und unglaublich wie sich im ersten Gang die Fuhre nach vorne schiebt und fast schon mühelos wieder festen Grund erreicht. Der OM314 als Hubraumgigant mit viel Drehmoment unten raus einfach viel besser für sowas geeignet wie die kleineren drehfreudigeren Motoren wo man immer das Risiko die Kupplung zu verheizen einberechnen muss.

In der Summe hab ich das aber erwartet und deshalb entgegen meiner sonstigen Überzeugung zu diesem Modell gegriffen. Hier sei aber nochmal angemerkt, dass alleine der Antrieb des 508 zum 407 gesehen mit 300kg zusätzlich aufwiegt und deshalb ein legales Ablasten auf 3500kg nicht möglich ist. Mein vorheriger Bus hatte mit 6m Länge plus Hochdach und dem 5Zyl 3Liter Motor mit 88PS 3800kg gewogen. (etwas drüber in der Toleranz)
Der Truck jetzt mit kürzerem Radstand und leerem Aufbau alleine schon 3500. nach Kisten, Dämmung, Ersatzrädern und Innenausbau bin ich bei knapp über 4t und danach wurde eingepackt… Gewicht oder Überladung interessiert in Afrika aber keine Sau. Ich hab Spaß und bin glücklich mit meinem Reisemobil.

Das Risiko mich wirklich festzufahren war zwar hoch aber ich hab immer noch Sandbleche dabei und im Notfall sogar die Seilwinde… oder das Moped um Hilfe zu holen, also alles im grünen Bereich. Es war aufregend, lehrreich und wichtig. Hier mal die Spuren nach meiner Passage.

Fast schon Stolz erreiche ich mein angepeiltes Ziel, die Ciudad de Orion. Ein Kunstwerk von einem Deutschen in die Wüste gesetzt. Von Oben betrachtet ein Nachbau der Sternenkonstellation des Orion durch Lehmgebäude mit Mauern verbunden.

Orion hat für mich als Winterflüchtling eine besondere Bedeutung, da nur im Winter auf der Nordhalbkugel bei Nacht zu bestaunen und eines der markantesten Bilder am Himmel. Für mich also eine Art Reisebegleiter und damit gern gesehener Schutzengel, der wenn alles klappt mich auch im Sommer auf der Südhalbkugel begleiten wird.

Das Kunstwerk aber mit einem weiträumigen Steinkreis abgeschirmt und auch zu Fuß darf man sich nicht nähern, ein Wächter kommt dir sofort wild gestikulierend entgegen. Mukein Muschkiel und Salam Aleinkum entgegne ich und bin ganz entspannt. Mohammed heißt er und ist hier seit einem Jahr beschäftigt. Es gab einige Beschädigungen durch Besucher und wahrscheinlich geht es auch um Fotorechte wie ich später heraus bekommen habe. Warum auch sonst einen 100m entfernten Steinkreis mit gigantischer Anstrengung in die Wüste zimmern. Ich unterhalte mich ne Weile auf französisch mit ihm und finde heraus, dass es noch zwei weitere Kunstwerke in der Umgebung gibt. Die goldene Spirale und die Himmelstreppe und jetzt klickt es, davon hab ich schonmal was gehört. Es ist Nachmittag und ich hab alles was ich brauche, warum also nicht ne Nacht hier bleiben.

Von der anderen Seite her wo die Meisten der wenigen Besucher ankommen gibt es ein Hinweisschild mit der Info, dass es wegen baulicher Veränderungen derzeit nicht gestattet ist das Kunstwerk zu besuchen, demnächst aber dafür wohl eine Regelung getroffen werden wird… inshallah…

Ich suche mir ne Ecke mit günstiger Aussicht und schlage mein Lager auf. Atlas hat hier wieder Freiheit und ich hab meine Ruhe. Gute Musik, gesundes Essen und der Plan morgen mal das Motorrad auszuführen. Eine tolle Ecke für diese Zwecke.

4 Gedanken zu “in die Wüste zum Orion

  1. Philip schreibt:

    Immer wieder schön zu lesen! Es scheint, du hast mal wieder eine tolle Strecke gefunden! Ich wundere mich etwas über dein Fazit zum Auto, war meine Erfahrung doch eher andersrum. Ich hatte das Gefühl, mein 508 sinkt leichter vorne ein, ob der besagten 300kg mehr. Der Kollege, der mit seinem 407 mich begleitete, schwamm etwas besser auf dem Sand und sein Motor war durch den größeren Drehzahlbereich im Sand eher überlegen, trotz weniger Hubraum. So kam es mir jedenfalls vor. Wie auch immer, Spaß macht das auf jeden Fall! Ich will wohl diesen Winter auch mal wieder da runter. Besten Gruß! Philip

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  2. neon38 schreibt:

    Alle 3 Bauwerke sind von Hansjoerg Voth. Nach meinem ersten Besuch, hab ich mir die Literatur dazu besorgt. Darin beschreibt er die Entstehung mit allen Widrigkeiten. Hochinteressant. Sofern du noch dort bist, frag doch mal ob es Brahim noch gibt. Wenn ja, gruesse von dem Mann mit den Windhunden und Landrover.

    Galgos, Nordafrika und ich – 11

    Link zu http://www.hannsjoerg-voth.de/08_goldene_spirale.html

    Weiterhin gute Reise. Gruesse Volker

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