Asturien und der Jakobsweg

Der Strand von La Rabia an dem ich meine Mittagspause verbrachte war durch seine Form um eine Lagune herum außergewöhnlich. So gab es eine dem Wind abgewandte Seite die ideal für ein kleines Schläfchen im warmen Sand war. Weit und breit nix womit Atlas Unfug anstellen kann, also Augen zu und das Leben genießen.
Ich folge erholt der kleinen Küstenstraße nach Asturien und habe demnächst nur eine Mission auf dem Schirm. Treibstoff sammeln und mit den offensichtlichen orangen Sammelstellen dazu mal wieder auffällig und erfolgreich.

Nicht weit in der Gegend um Llanes haben meine Freunde Simon&Beth ihr Quartier aufgeschlagen. Leider zur Zeit nicht anwesend, da auf Heimatbesuch in Schweden besuche ich trotzdem den Eigentümer vom Gelände um mein ausgeliehenes Surfboard wieder in Empfang zu nehmen. Vielleicht gebe ich dem Spielen in den Wellen noch eine letzte Chance und entscheide dann ob es mich nach Afrika begleitet… wo definitiv das Wasser wärmer wird.

Der Tag zieht sich und ich halte langsam Ausschau für einen Nachtlagerplatz. Am Strand natürlich wenn schonmal in der Nähe. Bei Vega, einem kleinen Örtchen westlich von Ribadesella werde ich nicht nur fündig sondern auch sehr erstaunt überrascht. Ein Wiesenparkplatz mit einigen Bussen und Freigeistern in anderen zum Campen umfunktionierten Fahrzeugen sieht hier über die Verbotsschilder hinweg und genießt den ausklingenden Abend. Ich habe etwas Zeit für Spaziergänge und Frittenöl filtern bevor die Dämmerung die Wärme nimmt und ich mich in die Geborgenheit meiner gewohnten Umgebung zurückziehe. Erneut bin ich dem Schicksal mehr als dankbar doch noch ein paar Wochen mehr in meinem alt bekannten rollenden Heim zu haben. Egal wem ich die Geschichte mit dem Fussel in der Leitung erzähle, der den Tüv-Termin vereitelte woraufhin die Käufer abgesprungen sind und ich die Pläne mit dem kleinen Fridolin änderte, es war so bestimmt. Der Termin an dem die nachgerutschte Käuferin nun zur Abholung nach Faro fliegt ist der 12.10. also noch knapp 4Wochen Zeit um die Walküre heimelig zu gestalten und erneut umzuziehen.

Joggen am Morgen und ein gemütlicher Start in einen wahrscheinlich kompletten Tag hinterm Lenkrad war das beste was ich hier noch machen konnte. Die kleinen kurzen Wellen luden nicht zum Surfen ein und die es probierten scheiterten auch offensichtlich, ab auf die Straße…

Irgendwie aber doch nicht unter Zeitdruck und mit Entdeckerdrang steuerte ich Gijon an. Großstädte eigentlich schon länger nicht mehr mein Ding, aber die letzte Runde zum Fitness zwang mich quasi, immerhin ist der komplette Monat bezahlt und danach kommt nix mehr. Kann man sich aber sparen, und so war die Entscheidung für mich auch einfach die folgende Stadt Oviedo auszulassen und eine andere Route ins Landesinnere zu nehmen. Grob Leon angesteuert geht es ne ganze Weile über die Autobahn um dann ab halber Strecke dem Riu Payares hinauf zu folgen. Es zieht sich und die Landschaft grün und hügelig. Zwischendurch mal ein paar hübsche Ausgucke…

Die einspurige Straße immer mal wieder der Grund warum ich vorne bin und etliche andere Fahrzeuge meinen Windschatten nutzen. Manche führen, andere folgen… Teilweise echt steil und ich muss in den ersten Gang runter schalten. Der Gipfel oder die Passhöhe aber nicht mehr weit und die Vorfreude auf eine Abfahrt stieg. Zu früh gefreut, ein Schild mit der exorbitanten Zahl 17% machte mir einen jähen Strich durch die Rechnung. Das ist echt steil, ich bin mit Anhänger viel zu schwer und fahre auf fast 100% Frittenöl, da hilft nur Vollgas und Hoffen. Ätsch, geht nicht, bevor die Karre komplett versackt und rückwärts rollt nutze ich die volle Fahrbahnbreite um zu wenden. Plan B muss her, und ich stehe mit gerecktem Daumen am Straßenrand. Die meisten spanischen Fahrzeuge aber ohne Anhängerkupplung, was ich als größte Erleichterung sehen würde, wenn mir den jemand den Berg hinauf schleppt. So war es dann auch, als eine Art Kommunalfahrzeug mit fünf Arbeitern der Grünpflege sich über meine Situation belustigten. Ohne Ballast am Agrarhaken ging es dann zwar immer noch knapp aber doch beständig die letzten Meter den Hügel hinauf. Geschafft und irgendwie doch jeden Tag ein Abenteuer. Danke an Jose und seine Jungs, die etwas später Feierabend in Kauf nahmen dem Hippie zu helfen. Die N630 über den Pass ist also nur mit “normalen” Fahrzeugen ohne Probleme zu bewältigen, hätte man mich ja auch unten schon warnen können.

Danach ging es auch ne ganze Weile wieder nur abwärts und ich passierte La Robla um bis nach Leon zu gelangen. Eine Chance gebe ich dieser Kulturmetropole noch und parke mitten im Zentrum für einen Verdauungsspaziergang nach anständiger Mahlzeit. Wie üblich einige hübsche Gebäude und die bemerkenswertesten mal wieder Sakral.

Danach auf die Schnellstraße nach Astorga um einem alten Wunsch folge zu leisten. Ich hatte irgendwann mal das Hörbuch von Hape Kerkeling “bin dann mal weg” in den Ohren. Dort hat er über seine Wanderung auf dem Camino, dem Jakobsweg berichtet und eine Region besonders herausgestellt. Dort wollte ich nun hin. Zwischen Astorga und Ponferrada geht es entlang einer kleinen Landstraße über einige Berge und durch malerisch abgelegene Dörfer. Da ich nicht wandere folge ich der Straße. Den Anfang macht Santa Catalina de Somoza und damit ist mein Ziel für die bevorstehende Nacht auch schon erreicht.

Ich habe einen Platz vor dem Dorf und überblicke die Landschaft, der Spaziergang am Abend dann eine Zeitreise in die Vergangenheit. Feldsteinhäuser und wie üblich zentral ein Gotteshaus. Hier nur etwas auffallend die allgegenwärtigen Herbergen und Refugien für Pilger.

Es ist eine sehr ruhige Nacht die nur etwas früher als erwartet endet. Da ich direkt am Schotterweg geparkt habe hört man die nahenden Schritte schon recht zeitig. Die Augen gehen auf und es ist aber noch dunkel. Ein flackerndes Licht kommt mir entgegen, heute pilgert man mit Kopflampe um der Hitze am Tage zu entgehen oder sportlich doppelte Etappen zu absolvieren.
Es werden bei Dämmerung immer mehr Wanderer, man kann schon fast behaupten eine endlose Kette mit immer wieder Grüppchenbildung. Wenn die ersten an mir vorbei sind sehe ich schon die nächsten am anderen Ende des Weges auftauchen, hier ist gut was los.

Ich filtere mein Öl und bereite mich für die Abfahrt vor, hätte schon gerne vor mich mit einigen Pilgern über ihre Beweggründe zu unterhalten. Doch meist reicht es nicht mehr als für eine Begrüßung. Ich höre aber immer wieder Auszüge von Gesprächen, da sich viele alleine auf den Weg machen und jeden Tag neue Leute treffen. Meist Amerikaner wie es mir vorkommt, natürlich viele Spanier aber auch Deutsche dabei. Ich sehe eine Gruppe Asiaten und der Rest der Teilnehmer eher europäisch. Einige nutzen den Weg oder die Straße parallel mit dem Rad. Ein Mann mit Hund kommt und Atlas natürlich der ideale Anstoß zum Gespräch.

Der Herr in den 50ern ist durchschnittlich in der Erscheinung, etwas übergewichtig und lebensfroh. Wie sich herausstellt mit seiner Pudeldame schon zwei Jahre ab Tschechien unterwegs. Ok, einige Tausend Kilometer aber sicherlich nicht genug um durchgehend jeden Tag zu wandern, er lebt also seinen Weg zur Selbstfindung oder andere persönliche Beweggründe.
Immer wieder fallen mir die besonders ambitionierten in kompletter Funktionsklamotte schneller als der Durchschnitt laufenden Sportpilger auf. Ein krasser Gegensatz zum Mütterchen mit Wanderstock die sich mit ihrem Rucksack jetzt am Morgen schon abmüht.

Ich hab schon vorher einige Leute getroffen die persönlich den Camino gegangen sind. Wenn nicht nur als Etappen weil im Urlaub in der Nähe dann meist extrem wie von der Schweiz nach Portugal mit Hund zum Beispiel. Man kann günstig für nen 5er in den Herbergen unter kommen, es gibt aber mit dem Pilgerausweis auch gratis Refugien die meist gut besuchten Jugendherbergen mit Schlafsälen gleichen. Wenn du dann solch Kopflampen Experten dabei hast ist es früh schon unruhig. Ich traf ein Mädel die meinte zur Erntezeit kann man komplett gratis über die Runden kommen nur mit Früchten am Wegesrand. Das Erkennungssymbol ist eine Muschel mit strahlenähnlichen Ausläufern. Diese Erinnerung lässt sich auch super vermarkten. Pins und Aufkleber, Steinchen mit aufgemalten Symbolen oder auch schon gehört kleine Tätowierungen in Handarbeit gegen Spende fürs eigene Vorankommen.

Ich bin also gespannt, was der Tag heute noch so bringen wird. Für die Teilnehmer neben mir wahrscheinlich das unausweichliche Hungergefühl wenn ich mit meinem Frittenbudengeruch aus dem Auspuff durch die Lande ziehe. Es wird wieder warm heute und ich fahre fast vollständig recycled.

Rabanal de Camino ist eines der Ziele aus dem Hörbuch. Fast schon eine Pilgergroßstadt und jedes zweite Haus in dem Dorf eine Herberge. Dies macht es sicherlich nur für Teilnehmer erst recht wenn sie kommunikativ sind und Leute kennen lernen wollen besonders. Ich mache einen kleinen Ortsbummel und habe aber schnell genug, außerdem beginnt es zu tröpfeln. Die Pilger holen ihre knallbunten Regenumhänge raus, alles gut vorbereitet.

Meine heutige Etappe auf dem Camino sind knapp 40km. Zu Fuß echt ne Hausnummer, da ein nicht zu unterschätzender Berg dazwischen liegt. Das Klima wechselt sogar und es wird neblig und kühl. Für viele sicherlich eine willkommene Abwechslung nach den Tagen in der sonnigen Ebene.

Irgendwann ist der Gipel erreicht und eine kleine Kirche am Wegesrand mal wieder Punkt sich in jeden möglichen Balken oder Stein zu verewigen.

Als fotodokumentiertes Andenken natürlich auch mein Gespann „war hier“, mit Gipfelkreuz wie sich das gehört.

Mir aber definitiv zu kalt hier oben immerhin schon wieder auf 1500m. Etwas Bammel macht mir aber das Schild am Eingang zur Abfahrt. 3m Höhenbeschränkung… das kann doch gar nicht sein, es gibt keine Alternative und ich hab keine Lust alles wieder zurück zu fahren. Augen zu und durch und im schlimmsten Falle wird irgendwas passend gemacht. Ich sehe mich schon die Reifen demontieren um einzeln mit wenig Luft ein paar Zentimeter zu gewinnen weil irgend eine alte Brücke zu niedrig ist… Spannung ergibt sich in vielen Situationen.

Am Ortseingang von El Acebo dann erneut eine Höhenbegrenzung, diesmal 4m und 6m maximale Länge… könnte passen und der Anhänger zählt nicht. Ich bin im El Dorado für Jakobswegfetischisten und das ist echt sehenswert. Krasser kann man sich ein Bergdorf nicht vorstellen. Eng, verwinkelt und am Hang gebaut, viele vorstehende Balkons und überall davor Terrassen und Sitzgelegenheiten für die Wanderer.

Platz ist hier so knapp bemessen, dass ich keine Chance habe irgendwo mein Gespann abzustellen und das Dorf zu Fuß zu erkunden. Es mussten sogar Tische verrückt werden, damit ich mit dem Düdo durch komme, aber es passt. Die Aufregung um drei Meter Höhenbegrenzung eher Panikmache, doch mit mehr Dimension als meinem Bus ist das echt ein Wagnis hier. Breitmaul mit Dachterrasse… unmöglich. El Acebo als mein Wunsch aus dem Hörbuch also nur in Schrittgeschwindigkeit aus dem Bus gesehen. Immerhin…

Danach alles ein Kinderspiel, dem Straßenverlauf mit immer wieder kreuzenden Pilgern noch einige Kilometer folgen und gefühlt bei Ponferrada wieder in die Zivilisation einkehren. Mit genügend zeitlichem Abstand und in Schrittgeschwindigkeit kann ich mir das erstaunen auf diesem Teilstück des Weges gut vorstellen. Aus meiner Perspektive nur ein kurzer Blick auf den Jakobsweg… und ich glaube eher der Letzte, das Gewusel würde ich mir nicht antun wollen um zur Erleuchtung zu finden.

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