Ein Abend in Granada

Ich gondele also gerade mit dem Fahrrad durch Granada auf der Suche nach einer vagen Erinnerung. Ich hab sie gefunden und die TapasBar sieht noch genau so unscheinbar aus wie die Jahre zuvor. Los Diamantes und 20:30 geht es los, bleibt noch Zeit für einen Heimbesuch und andere Klamotten. Der Weg knapp 3Kilometer auch zu Fuß zu bewältigen. Besser ist das glaub ich so.
Mein Nachbar immer noch am Umgestalten seines Vans beschäftigt, er bleibt heute hier, genießt die Ruhe der Abgeschiedenheit des Universitätsgeländes. Das Nachlager also sicher, der Hund ausgetobt und ich gut vorbereitet. Hungrig… und mit Bierdurst geht es auf die Tour. Nur ein einziger Keks um den Magen etwas vorzubereiten: abgespaced 🙂

Es ist Vorweihnachtszeit und wenn auch mit frühlingshaften Temperaturen zumindest optisch auf üblichen Kitsch getrimmt. Die Kunsttanne mit der üppigen Beleuchtung eine Karikatur des romantischen Weihnachtsbaumes. Immerhin muss für das Drahtgeflecht meine richtiger Baum gefällt werden und über Wochen in einem Gulli stehend vor sich hin trocknen.

Es ist gut was los im Zentrum und auch die Spanier sind wohl verrückt nach Weihnachtsmärkten. Haufenweise Deko und natürlich Futter wird an die Kunden verkauft. Der Geruch macht zumindest doch etwas Apetit und bei mir wächst das Verlangen nach Churros. Erklärung folgt noch, die Dinger werden meist beim Bäcker oder in Cafes verkauft, hier abr finde ich einen Spezialisten…

Der Laden ist brechend voll obwohl die Speisekarte echt übersichtlich ist. Zu den Churros kann man wie üblich Schokolade oder auch Kaffee bestellen. Es dauert eine ganze Weile bis der Kellner Zeit für mich hat, ich hab nen guten Platz und Blick auf das Geschehen. Meine warme Schokolade in der Tasse erscheint ein paar minuten vor den frittierten Teigstreifen. Beides wird am laufenden Band produziert und die Kellner stehen jeweils Schlange um frisch aufzutischen. Hier mein Gedeck.

Wer es nicht kennt hat was verpasst. Die Schokolade wirklich so dick, dass man sie löffeln muss, oder eben mit den Churros eintauchen kann. Ich dachte erst er hat mich falsch verstanden als ich diese riesige Portion sah, aber am Nachbartisch gab es die doppelte Portion für zwei Personen und die Familie gegenüber hat nen richtigen Berg. Schmecken lassen, einmal Sünde kann sein. Das Schauspiel um mich herum, das Stimmengewirr und die hektischen Kellner erinnern mich an meine eigentliche Mission. Es ist noch Platz für Tapas und nach dem spßen Zeug brauche ich dringend ein Bier.

Los Diamantes hat noch geschlossen, das Rolltor ist unten aber eine wartende Menge steht schon vor der Bar. Geheimtipp oder Insider, ich höre meist spanisch aus den Gesprächen heraus. Der Blick durch das vergitterte Fenster in eine recht karge, mit Fliesen und weißen Wänden verzierte Kneipe mit kleinem Tresen. Vom groben Überblick kann ich kaum glauben, dass alle Wartenden vor der Tür hier einpassen sollen. Ellenbogentaktik also angesagt, ich hab den Besuch schon zu viele Jahre verschoben.

Es gelingt mir, ohne Rücksicht auf Verluste, einen Platz an der Bar zu ergattern. Am Ort des Geschehens, direkt in der vorderen Ecke unter der Tafel mit den vielfältig möglichen Speisen. Cana per favor und das erste Bier(chen) ist im Anmarsch. „La Tapa es un regalo de la casa, ni se cambio, ni se elige“ steht groß auf dem einzigen Bild an der Wand. Spanisch kann ich nicht, aus französisch und italienisch aber folgendes zusammenreimen. Tapa=Teller regalo=Geschenk casa=Haus cambia=wechseln elige=wählen, den Rest kann man sich denken. Friss oder stirb, Prost. Erste Runde frittierte Fischteile wie Schillerlocken, lecker zart und saftig. Mit den Fingern oder dem Zahnstocher. Nebenbei beobachte ich die Jungs hinterm Tresen. Alle Hände voll zu tun und der Laden wie befürchtet brechend voll. Die Sitzplätze am unbeliebtesten, es gibt keine Bedienung, man muss sich den Weg zum Tresen freikämpfen. Und das bei den Bieren die 0,25 ähneln.

Die Variation roten Wein mit Eis und Limonade wird von einigen Spaniern bevorzugt… ansonsten gibt es auch noch Weißwein oder nur das bekannte Zuckerwasser mit Sprudel in schwarz, gelb oder klar. Zumindest muss ich heute nicht überlegen oder wählen. Das zweite Bier schon geordert verspricht das Schauspiel im gesamten ein lustiger Abend zu werden.

Die Zeit drängt etwas, da die Sperrstunde keine drei Stunden entfernt ist. Das macht bei dem Tempo des Ausschanks und der Küche im optimalen Falle ein Gedeck alle 15Minuten, na dann. Die Variationen der Tapas der anderen Gäste machen Vorfreude und Neugier auf meine nächste Portion. Es gibt Muscheln, Sardinen, Hähnchen und Garnelen, Tintenfisch und anderes Meeresgetier, meist gebacken oder frittiert. Hier mal ein Überblick falls das weiter hilft. Um alles zu probieren muss man schon ne Weile bleiben.

Die Geräuschkulisse ein Wortfetzengetümmel mit übertönenden singsangähnlichen Bestellungen der Barmänner in die Küche. Zwei Spezialisten für die Getränke, zwei für die Küche. Ich hab kurz einen Blick rein geworfen als ich mich zum Klo kämpfte. Mein Gedeck halb gegessen natürlich an meinem Platz gelassen um den wiederzubekommen. Also alles bestens und ich beschließe zu bleiben. Warum nicht durchziehen und Zeit mit der Suche nach der nächsten Bar verschwenden. (ok eigentlich direkt gegenüber war die „jesus-bar“ auch immer gut, aber da fange ich wieder von vorne an. Hier reicht nun ein Wink an die Herren in schwarz und meine nächste Fuhre ist im Anmarsch.
Ich merke wie auch das siebte/achte Bier seine Wirkung entfaltet und mache mir etwas Sorgen über den Heimweg, da mein Telefon mal wieder vor hat Akkuarm zu werden. Ich kritzle meine Route grob auf eine Serviette und hoffe im Zweifelsfalle so auch einen Taxifahrer zu meinem Bus zu lotsen 🙂 Vorbereitung ist alles.

Wenn ich schonmal nen Stift in der Hand habe kann ich mich auch gleich auf die Granada-Ansichtskarten, die auch Weihnachtsgrüße in die Heimat übermitteln, konzentrieren. Ja, so langsam wird es schwierig mit der Koordination und die Empfänger haben sicherlich was zu lachen. Der Abend gut fortgeschritten, ich mache mal ne Zwischenrechnung und werde einen ganzen 10er los… nach 5-6Runden. Ich wusste, dass Tapas hier günstig sind. Mein Budget für heute Abend also noch nicht ausgeschöpft, es kann weiter gehen. Kurz vor Mitternacht lichten sich dann die Reihen so plötzlich wie der Ansturm gekommen war. Von Anfang bis Ende durchgezogen und ich kann nach drei Liter Bier immer noch stehen… dank des Tresens vor mir. Der Rollladen ist schonmal zu, es gibt nur noch den Ausweg durch die Hintertür. Das nenne ich mal konsequente Gastronomie und in der Summe eine tolle Erfahrung. Sehr zu empfehlen und meine Tellerchen waren alle lecker und haben sich auch nie wiederholt.

Regelmäßige Leser wissen, dass ich selten Alkohol konsumiere, hat den gleichen Effekt wie bei moderatem Kaffeegenuss. Wenn dann mal etwas die Sinne trübt ist es eine schillernde bunte Erfahrung. Die Frische Luft und die Weihnachtsbeleuchtung muss mich dann übelst geflasht haben und dieses Foto fand ich am nächsten Morgen auf dem Telefon… wohl die letzte Aktion meines danach toten Akkus.

Kaum zu glauben, aber ich habe es zu Fuß nach Hause geschafft. Auf den letzten Metern kurz vorm Campus aber mit einer mehrstündigen Verzögerung. Der Abend war noch jung und auf der Straße über mir am Balkon eine Privatparty. Studenten und ein Geburtstag, ich solle doch rauf kommen. Direkt darunter ein Späti und meine letzten Münzen in ein paar Bier als Gastgeschenke investiert. Es waren interessante Leute, überall aus Spanien und auch Italien. Granada als Unistadt hoch angesehen und Erasmus Austausch gibt es hier auch häufig. Die Mieten trotzdem recht hoch und für die 50m² Bude neben dem Campus müssen auch 600,- gelöhnt werden, teilen sich hier drei Personen, gibt genug kleine Zimmer. Meine Geschichte interessiert auch einige und es war lustig. Spanische Popmusik und auch etwas Elektronisches dabei, Alkohol in Massen… hat sich nichts geändert. Ich kenne mein Limit und verabschiede mich irgendwann. Die letzten Meter den Berg hinauf und in mein Bett nur ne vage Erinnerung. Beim ersten erwachen bei Tagesbeginn ne trockene Kehle und nen dicken Kopf… das hat man davon. Wasser hinter kippen und nochmal schlafen, alles wird gut.

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