Bissau und Schwemmland – unerwartetes Abenteuer

Bissau als Hauptstadt von Guinea-Bissau steht nicht unbedingt auf der Wunschliste unseres Trips. Doch irgendwie ist es Tradition in jedem besuchten Land auch den Regierungssitz im Zentrum zu besuchen. Wir sind gespannt und nach Conakry kann es eigentlich nur noch besser werden. Natürlich gibt es einen Hafen, das Meer ist zwar weit aber strategisch günstig an einem riesigen Fluss gelegen. Guinea-Bissau lebt durch seine vorgelagerten Inseln, deren Ruf wir überall als fantastisch zu hören bekommen. Leider mit den Bussen so gut wie ausgeschlossen und eher mal was für nen Ausflug mit dem Rucksack. Am Eingang der Stadt liegt der Flughafen, dahinter dann die typischen vollgemüllten Straßen und Industrieregionen. Der Hauptstraße folgend kommt man irgendwann ins Zentrum und zum Präsidentenpalast.

Foto eher als Lückenfüller, in Anbetracht der sonstigen Sehenswürdigkeiten aber echt aufgeräumt und vorzeigbar. Wir schlagen uns zum Hafen durch und finden ein kleines von UN-Mitarbeitern besuchtes Cafe für eine Pause. Dort kommen wir ins Gespräch und hören über das alte Zentrum, welches nebenan liegt und als Welt-Kulturerbe vorgeschlagen wurde. Portugiesisch geprägt und wenn schon der Hafen nix zu bieten hat schlendern wir hier mal umher. Ausflugsboote wäre neben den Containern der einzige Grund sonst zum Hafen zu fahren.

Die kleinen Gassen im Kolonialstil sind vor Jahren mal bunt gestrichen worden, Pflege ist hier nicht ganz oben auf der Liste, immerhin kehrt jemand den Dreck auf den Straßen zusammen. Die alte Festung kann man weder betreten noch Fotografieren, dort hat sich die Armee eingenistet und deshalb Sperrgebiet. Wir sehen aber verhältnismäßig viele hellhäutige und neben EU und UN sind noch einige andere Organisationen hier vertreten. Es gibt ein Viertel für Minister und Botschaftsangehörige, das mal wieder hübsch gepflegte Villen mit grünen Vorgärten und Bewachung. Das war’s dann für unsere Runde in der Stadt, lohnt nicht länger zu bleiben und wir verduften. Vorher jedoch einige Besorgungen, da Olli schon wieder ohne Bier da steht. Immerhin gibt es welches zu kaufen, wenn auch aus Portugal importiert. Die einheimische Brauerei wollten wir besuchen, fanden mal wieder nur ne Ruine vor.

Wir wollen Richtung Meer fahren, dort soll es ein Ausflugslokal geben, welches online und auch bei den UN-Fritzen in gutem Ruf steht. Quinhameln gilt auf lonely planet auch als einzige Sehenswürdigkeit im Lande fernab der unerreichbaren Inseln. Also 35km in eine Sackgasse, wir sind gespannt. Das Örtchen dann sowas wie der Kiez in Hamburg, der Ballermann auf Mallorca oder Odessa in der Ukraine. Hier ist was los, einheimische Ausflügler, Musik und auch betrunkene Gäste auf den Straßen. Könnte interessant sein, nur unser Ziel liegt etwas abseits.

Hinter einer dicht bewachsenen Einfahrt durch 2km Cashewplantagen finden wir ein von Palmenwald bewachsenes Grundstück, das nem Campingplatz in Deutschland gleicht. Nur ist hier kein anderer Camper anwesend, nur einige PickUps und damit Gäste im Restaurant. Dieses ist das Herzstück der Anlage und unten am Strand, welcher auch nicht direkt am Meer liegt sondern am Fluss. Umgeben wie überall von Mangroven, die aber dafür die Spezialität der Region liefern, Austern. Ja richtig, Muscheln und dazu noch sehr kantige und verwachsene, die sich an den Wurzeln im Brackwasser anheften und im Restaurant gegrillt werden.

Wir essen hier und dürfen dafür auch übernachten. Wir lernen einen Diplomaten kennen, der den Fluss als Schwimmstrecke nutzt und danach hier futtert. Gesellen uns zu ihm und tauschen ne Menge Geschichten aus. Ein in Marokko aufgewachsener Franzose der deutsch spricht und hier auch portugiesisch drauf hat. Das Bier ist kalt, die Austern lecker wenn auch viel Arbeit und normalerweise nur Vorspeise. Also gibt es später noch Fisch und Huhn, die übliche Auswahl. Ruhige Nacht sonst, bis auf den Generator in leichter Hörweite, der die ganze Anlage rund um die Uhr befeuert. Der Stellplatz aber fast schon luxuriös, nicht im Dreck oder am Pistenrand, fernab von jedem Dorf und gaffenden Kindern, von gepflegten Pflanzen umgeben, eingezäunt.

Wir haben auch mal ne Pause nötig und beschließen einen weiteren Tag zu bleiben. Gibt genug Dinge zu erledigen und im Bus nachzuholen, Atlas darf rumstromern und der Schattenparkplatz unter den Palmen ist angenehm. Olli gesellt sich zu den Gästen an den Pool. Dort wird Musik gespielt, kalte Cola serviert und man könnte denken wir sind im Urlaub. Ich versuche später dort zu lesen, merke aber schnell, die Zivilisation ist nix mehr für mich, ich will Ruhe und keinen Cluburlaub. Badehose, Schwimmbrille und los. Schwimmen wie unser Diplomat vom Abend. Der Einstieg schlammig, das Wasser salzig und später auf dem Rückweg mit eintretender Flut eine echte Sporteinheit. Und wenn ich schon am meckern bin kann ich auch anmerken, dass für sportliche Betätigung die Wassertemperatur etwas zu hoch ist. Wir haben grad gehört, dass in der Heimat zweistellige Minusgrade herrschen, meckern auf hohem Niveau. Ich hänge ja mit dem blog wie üblich ne Woche zurück, hochgeladen habe ich den Palmenstrand bei 35grad… das wären dann fast 50grad Unterschied und auch im Süden Europas und Norden Marokkos sieht es nicht rosig aus. Mal wieder also alles richtig gemacht auf der Mission Winterflucht.

Der Strand bepflastert mit Deko und Cocospalmen, der Pool gereinigt das ganze Areal sauber und gepflegt. Für die Poolbenutzung sind zusätzlich zum Verzehr auch 4000CFA zu zahlen, immerhin 7,-€ also Luxus. Die Palme oben auf dem letzten Bild ist noch anzumerken. Leider schlecht zu erkennen. Irgendwas aus der Karibik, alle Blätter fächerförmig angeordnet, hübsch. Nur der Kontrast, Licht zu Schatten mal wieder nicht vom Profi geknipst. Low-budget blog… unkaschiert.

Es kommen auch komische Gäste her, neben den anständigen europäisch stämmigen aus der Hauptstadt jetzt zum Wochenende auch Spinner. Einen für die Straßen hier völlig ungeeigneten aber protzig weißen, ausladenen RAM3500 fährt ein magerer junger Kerl mit drei aufgetakelten dunkelhäutigen „Amüsiermädchen“ hierher spazieren. The place to be in Bissau wie es scheint. Aber für einen Tag zur Entspannung wie gesagt ideal. Wir essen nochmal ne Kleinigkeit am Abend und starten morgens ausgeruht zur nächsten Etappe. Bis zur Grenze Senegal sind es rund 200km. Kurz zuvor beginnt eine Piste zum Strand bei Varela, aus einigen Reiseberichten als optimal zum Verweilen herausgelesen. Wir passieren also erneut den Flughafen Bissau und die nächste Ortschaft Bula, die Polizeiposten sind hier entspannter und auch die Straßen verhältnismäßig gut befahrbar. Es sind zwei große Ströme zu überqueren und jedes mal muss man vorher dafür Maut blechen. 1500CFA und damit immerhin 2,50.

Atas schaut nicht schlecht, was da an Wassermassen trotz Trockenzeit unterwegs sind. Die Ufer wie üblich Mangroven und sicherlich auch mit nem Meter mehr Wasserstand kaum in Mitleidenschaft zu bringen. Die Brücke jeweils gigantisch und im Vergleich zur recht mickrigen Straße schon eine Investition in die Infrastruktur des Landes.

Bei den kleineren Flüssen reicht meist ne Betonröhre zur Überquerung, die restlichen Überschwemmungsbereiche sind dann wohl regelmäßig unter Wasser und de Straße damit noch mehr dem Verfall ausgesetzt. Der Fahrbahnbelag in diesen Bereichen echt eine Zumutung. Kann man sich nur vag vorstellen, was hier in der Regenzeit los ist, diese ist von Juni bis Oktober/November.

Wir wollen uns sowas mal aus der Nähe ansehen, haben auch ne Pause nötig. Ein ruhiges Plätzchen ist etwas abseits der Route gefunden. Ringsum nur Büsche und Mangroven, vor den Palmen dann die Straße und damit Festland.

Atlas will trotz der Nachmittagshitze meinen Erkundungsgang begleiten und logischer Weise will ich auch mal zum Fluss, der hier nur knapp 3m breit ist. Die Uferzone aber nochmal locker gleichviel schlammig und für ihn irgendwie erst zu spät erkennbar. Wo hat man denn auch schon solch blöden Zugang zum kühlen Nass? Ergebnis; bis zur Schulter im Matsch und das Herumwälzen danach auf trockenem Boden macht es auch nicht besser, Vollbad ist angesagt bevor er wieder einsteigen kann.

Ich hab sowieso noch genug Wasser übrig und will zur nächsten Filtrierung neues holen, wasche mir also mit dem Rest noch schnell die Haare. Bei den Temperaturen mit nicht erwärmten Wasser welches so fast Körpertemperatur hat eine Wohltat.

Olli testet während dessen mit dem Hackentrick welche Route wir wieder rauf zur Straße nehmen. Die Oberfläche fest und trocken, sollte kein Problem sein. Naja… ich kam beim Wenden nicht weiter und er steckte beim Rückwärtsfahren fest. Die Sandbleche halfen fast nix und je mehr wir probierten so tiefer sank die Karre ein. 6Tonnen Bus auf unterirdisch doch irgendwie schlammigem Grund geht halt nur ohne Anzuhalten in einem Zug.

Der Highjack drückte sich egal mit wieviel Holz unterlegt zuerst in den Boden bevor er überhaupt den Bus hätte heben konnte. Buddeln machte es auch nicht besser und meinen Bus als Anker nehmen um seinen zusätzlich nach Manier einer Seilwinde zum rücksetzen zu bewegen funktionierte auch irgendwie nicht. Lockerer Sand wäre da noch das geringere Übel, so aber lag die Vorderachse schon im Boden und bremste die Fahrversuche obwohl wir nun auf den Blechen standen. Half nix auch das freibuddeln der Achse machte den letzten Versuch nicht besser. Wir brauchten Hilfe.

Ein Nissan Patrol 4×4 in weiß mit UN Schriftzug auf der Seitentür passierte grad die Straße in Sichtweite… winken und schreien hilft manchmal und wir hatten einen Retter. Doch entweder war der Kerl am Steuer unerfahren, die Karre untermotorisiert oder alles zusammen. Die Drehzahl ging in den Keller, die Räder drehten sich nicht und der Bus blieb an der gleichen Stelle. Meiner als Anker auch nur ca 5cm vorne eingesunken sollte erstmal probiert werden freizubekommen um zur Not andere Hilfe zu holen. Doch auch das klappte nicht und bestätigte mich in der . Im gleichen Moment als wir ihn verabschiedeten kam ein Konvoi mit richtig brutalem Gerät vorbei. Ich spurtete, rief und winkte, stolperte über den Acker der Straße entgegen, Weiße Trucks mit ECOMB Aufschrift und voll bewaffneten Begleitern. Langhauber mit drei Achsen, alle angetrieben und gigantischen Reifen, hinten sogar Zwillingen, ideal.
Ich wurde nicht erschossen und schaffte es den Militärkonvoi zu stoppen. Senegalesen wie sich heraus stellt und ich mal wieder mit Zusatzglück denn die verstehen französisch. Mit Einheimischen wäre mein fehlendes portugiesisch problematisch. Wir fragen uns zwar was Soldaten aus dem Nachbarland mit Splitterschutzwesten und Helmen, M16 und fetteren Kanonen auf den Begleit PickUs hier zu suchen haben, aber für uns grad wie gerufen. Ich werde dem Chef vorgestellt und kann mein Anliegen schildern. Weißer langhaariger Typ mit Strohhut und Fransen am Kinn, barfuss und mit vom roten Pistenstaub verdreckter kurzer Khakihose… oben ohne und tätowiert steckt mit seinem Mercedes im trockenen Schlamm fest. Immerhin verstand er soviel und wollte sich das mal angucken. Er folgte mir natürlich nicht alleine also gingen wir im Dutzend zurück zu Olli.
Die Kommunikation funktionierte und per Funk wurde der unbeladene Truppentransporter mit Plane und Spriegel Aufbau zu uns beordert. Sie hatten zwar auch Angst vor dem Gewicht, aber der Untergrund war stabil genug, ein Seil hatten wir ja zur Verfügung. Bei meiner Bergung hat es mir das Lenkrad verrissen und mein Rad einen Krater geschoben, konnte ich aber freischaufeln und war dann auch wieder mobil. Zum Glück hatte ich die verstärkte Spurstange im Sommer verbaut, die normale wäre sicherlich verbogen gewesen.

Wer jetzt gerne Bilder von der Aktion sehen würde muss leider enttäuscht werden, Militär also nicht fotografierbar. Wir versuchten es auch nicht, waren ja glücklich über diese Hilfe und ich beschreibe lieber bildlicher. Olli kam als nächstes an den Haken und rückwärts war auch das für den Koloss ein Kinderspiel trotz eingesackter Vorderachse am Mercedes. Wir waren frei und gerettet, die Anhänger zogen wir dann eigenhändig weg und Erleichterung war zu spüren. Die Armee wollte schon abziehen. Unser Dank in Form von 24Dosen Bier wurde herzlich angenommen, wir hatten schon mit mehr Aufwand und Diskussion danach gerechnet. Er wünscht uns eine gute Weiterreise, das sei Service seines Landes, welches ich ja nun besuchen möchte, wie ich zuvor schwärmend erklärte.

Die ganze Aktion hat nach der Pause natürlich unser Etappenziel versaut und knapp 2Stunden gekostet. Uns reicht’s für heute und wir suchen baldigst einen ruhigen Platz zum mentalen Aufarbeiten bei mal wieder selbstgekochtem Essen. (Meist irgendwas mit Reis und Zwiebeln, Auberghinen oder Bohnen, Nudeln schon seltener) Trotzdem immer lecker wie Olli beteuert und mangels Alternativen am Gemüsestand nicht zu ändern… hoffentlich nicht mehr lange.

Wenn wir schon einmal beim Thema sind, ich sehne mich zurück ins Schlaraffenland Marokko. Die Vielfalt beim Einkaufen dazu noch frisch und regional, das schnelle Essen auf den Straßen und Märkten, die leckeren Snacks überall, die günstigen Preise… und nicht nur kulinarisch. Auch so fühle ich langsam etwas wie Heimweh aufkommen, Heimweh in ein gerne bereistes Land so anders als Deutschland. Aber auch anders als hier. Abwechslungsreicher in Flora und Fauna, und in Gedanken schon an den Heißen Quellen oder bei den blauen Felsen, auf den noch bunteren Märkten und in den besser gepflegten und sehenswerten historischen Medinas.
Aber bis dahin müssen wir noch 5-6 Wochen Abenteuer durchstehen. Senegal und Gambia stehen als nächstes auf der Liste, ich erwarte ne Menge mehr, Besserung der Gesamtsituation ein Muss. Beide Guineas haben mich eher enttäuscht. Letzte Chance der Strand bei Varela, damit weiter im nächsten Blog.

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