Kasbah Boulaouane im Nirgendwo

Wir waren also auf unserem Wege vom Inland zur Küste und ließen Khemisset hinter uns. Das Nachtlager verkehrsgünstig ausgewählt, wollten wir heute Strecke machen. Wir streben Settat an und lassen damit Rabat und Casablanca nördlich an der Küste liegen. Damit befinden wir uns aber auch abseits aller Hauptverkehrsrouten und die Gegend ist mit wenig interessanten Ablenkungen bestückt. Einzig die Schlucht vor Sidi Bettache hat uns zum mittäglichen Verweilen eingeladen. Totale Ruhe durch grob drei-vier Fahrzeuge in der Stunde unterbrochen. Traumhaft und dazu voller Sonnenschein bei windstillen 30grad, im Schatten knapp 20.

Es gibt unten in der Schlucht einen kleinen Fluss, hinter der überspannenden Brücke ist ein geräumiger Schotterplatz wo man sicherlich auch gut übernachten kann. Wir brechen satt und ausgeruht auf und passieren weiterhin ödes Farmland. Eselkarren, Landmaschinen und einfachste Behausungen links und rechts der geraden und ebenen Straßen. Straßen ist wohl überbewertet, der Beton bröckelig und Schlaglöcher überall. Reisegeschwindigkeit auf 50km/h gedrosselt.
Irgendwie musste unser kleiner Konvoi aber doch irgendwas übersehen haben. Es scheint schon komisch in diesem Augenblick… Ich merkte schwammiges Fahrverhalten und suchte eine günstige Stelle zum Halten. Mein Verfolger meinte gut dass ich anhalte, irgendwas stimmt mit seiner Lenkung nicht… denn auch er hatte einen Platten. Ich vorne links, er rechts. Wie sich später heraus stellte hatten wir beide jeweils zwei Löcher und damit schleichenden Druckverlust.

Der Radwechsel war somit sportlicher Wettstreit, der dank gut erreichbarem Reserverad an meinem Heck gegen komplizierten Schlitten unterBus von Lukas haushoch von mir gewonnen wurde. Als Belohnung durfte ich da noch mithelfen. Muss schon ulkig für die Bewohner ausgesehen haben. Zwei Touris wechseln gleichzeitig hier ihre Räder.

Weiter ging es und Settat mal wieder eine moderne Stadt mit viel Bautätigkeit. Ich glaub wir besorgten nur Obst und waren dann auch schon wieder raus. Irgendwo ließen wir den Schlauch von Lukas flicken und ich ließ mein Reifenwurst Rep-satz zum Einsatz kommen. Jedoch war der beschädigte Gummi schon echt hinüber und das Loch größer als erwartet… irreparabel und ich nun also auf der Suche nach passendem Ersatz. Nach einigen wenigen Kilometern guter Straße durch die große Stadt fuhren wir entgegen aller Normalität hier nicht nach Norden (Casa) oder Süden (Marrakech) sondern gen Westen (Atlantik) und hatten damit wieder pistenähnliche Wege vor uns. Fest stand diese Route nicht bei Dunkelheit zu nehmen, also zeitig einen Schlafplatz finden. Eine Sehenswürdigkeit zeigte mein schlaues Buch nahe der Ortschaft Boulaouane und damit die erste Kasbah auf der Tour. Der Weg dorthin, naja… schlechter geht nicht ohne es Piste zu nennen.

So holprig, da weichen selbst die Eselfuhrwerke auf den plattgefahrenen Boden der brach liegenden Felder aus. Der Weg hat sich aber definitiv gelohnt. Die Kasbah auf einer Halbinsel vom wasserführenden Oued Oum Riba umschlossen thront auf einem Hochplateau und war früher mal extrem eindrucksvoll. Immer noch kann man sich trotz der Ruine die Ausmaße vorstellen. Hier gibt es ne Menge zu erkunden und der nette alte Guardian, der sonst den ganzen Tag auf Besucher wartet bekommt von uns 15dH pro Nase als Gebühr für die Nacht. der Sonnenuntergang schon mal eindrucksvoll.

Kasbah Boulaouane wurde als „weit abgelegen aller Hauptrouten aber spektakulär“ beschrieben und das kann ich nur so bestätigen, eine Reise wert. Noch am schwindenden Tage machen wir unsere ersten Rundgänge und sind erstaunt. Alleine für die Aussicht ringsum ein toller Anblick. Beidseitig der Ufer grünt es und Orangen werden in großem Stil angebaut. Die etwas abgelegenen Farmen beziehen ihr Wasser über knatternde Pumpen und machen die Einöde zum Paradies mit Oliven und Feldwirtschaft.

Das interessante hier an dieser Ruine, die im 12. Jh erbaut wurde und 1710 zur Bastion erweitert wurde sollte kurz darauf von niemandem mehr bewohnt werden da Moulay Ismail es so befahl. Frauengeschichten und Mythos vielleicht. Auf jeden Fall verkommt sie leider.

Der Rundgang auf der Mauer verlangt schon Mut ab, die Freiheit grenzenlos, das Schuhwerk blöd gewählt.

Hinter der Kasbah befindet sich ein kleines Dorf, was den einzigen wenigen Verkehr hier oben erklärt, die Zufahrt durch das Haupttor und über eine grob mit Steinen abgesteckte Piste durch die übrigen Trümmer. Viele Steine wurden sicherlich hier abgetragen und zum Bau von Häusern verwendet. Auch gibt es in der Kasbah, was übrigens wie ein Schloss oder ne Festung fungiert, eine recht moderne wenn auch verlassene Moschee. Interessanter Umgang mit Historie, aber zumindest für uns begehbar.

Auch der Turmaufstieg hoch ins Minarett ist mal eine besondere Erfahrung, wir können alles völlig alleine erkunden und nirgends gibt es weder Absicherungen noch Verbotsschilder.

Der letzte Ausblick auf die untergehende Sonne und ich hab mir vorgenommen zum Sonnenaufgang hier nochmal rumzustreunern. Ein Spielplatz wie man ihn gerne annimmt.

Wir machen es uns in den Bussen gemütlich und ich wollte mal schreiben und Bilder sortieren. Dazu kommt es aber nicht, da der alte Guardian sich bei uns mit Tee und Brot sowie Gebäck meldet. Er hat wirklich vor wegen uns die Nacht hier in seinem Verschlag am Eingang zu verbringen. Dafür also die Gebühr zum Parken, das ist sein Lohn… Wir versuche ihm zu erklären, dass das wirklich nicht nötig ist und er gerne nach Hause gehen kann. Er erzählt noch etwas und ist wirklich nur nett und nicht aufdringlich. Später sitzt er noch mit Freunden aus dem Dorf an seinem Platz an der Mauer und wartet zumindest bis wir eingeschlafen sind.
Vielleicht ist er doch noch nach Hause gegangen, auf jeden Fall mache ich am Morgen zum ersten Farbschimmer am Horizont meine Runde und sehe niemanden. Mich weckte kein Muezzin, kein Verkehrslärm, keine Passanten oder bellende Hunde, totale Stille hier. Ich wollte dies einfach alleine genießen und erkunde die Ruine und die Umgebung mit Atlas. Die ersten Sonnenstrahlen eignen sich irgendwie nicht so gut zum Fotografieren wie die letzten zum Sonnenuntergang. Zumindest mein Schuhwerk ist nun den Gegebenheiten besser angepasst.

Wie gesagt, Erhaltungszustand unbefriedigend, da stört die teils herabgefallene Mauer eigentlich nur die Leute, die unten nun mit der verengten Straße leben müssen. Steine und Lehm, halt nicht für die Ewigkeit.

Aber auch die viel später und mit Beton errichtete Moschee zerfällt schon an einigen Ecken. Hier im Bild noch erwähnenswert der Marabut mit dem Kuppeldach, die Grabstätte eines heiligen. Betritt man eigentlich nicht, hier ist aber niemand… Und auch auf dem sehr antiken Holztisch im Inneren liegt niemand mehr, zum Glück.

Mein restlicher Spaziergang geht dann den Wehrgang zum Fluss hinunter und dort zum Frühstück entlang der Orangenplantagen, Mundraub könnte man meinen, frischer geht nicht. Zurück am Bus klärt sich auch das Verschwinden unseres Guardian. Er hat Frühstück geholt und tauscht die leere Teekanne von gestern Abend gegen eine volle und hat Brot, einen kleinen Schluck eigenes Öl und Orangen dabei. Ein Service, echt toll.

Danach verlässt er uns wieder freundlich und taucht auch bis zur Abfahrt nicht mehr auf. Wir bedanken uns mit aufgefüllter Ölflasche, Frischkäse und Datteln in seinem Körbchen und machen uns auf zur nächste Etappe.

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