Khemisset, ein Besuch bei Freunden

Morgen also Basteltag in Khemisset. Die Wahl unseres Nachtlagers heute deswegen mal strategisch günstig. Wir fahren knapp 300m weiter vor die Moschee in das sonst unbebaute zukünftige Neubaugebiet. Soll sicherer sein und so haben wir Sonne am Morgen. Jene nimmt zwar dem Foto etwas Kontrast, wirkt sich aber super aufs Raumklima aus.

Die Nacht endete wie erwartet abrupt kurz vor 6Uhr. Die Lautstärke wohl mangels naher Zuhörer etwas heraufgedreht durchdringt dann der melodische Allahuakbar jedwede Träume. Eine gemeinsame Uhrzeit haben die umliegenden Moscheen zum Weckruf ja grob schon, aber die anschwellende Unruhe vorher und auch das summende Nachklingen der Nachzügler in der Ferne ist keineswegs synchron und irgendwie auch interessant. PS: ich bin religionsfrei und kann genau so gut über Kirchenglocken herziehen, passe mich aber den Gegebenheiten an und respektiere den hier vorherrschenden Glauben… zuhause brauch ich das aber nicht, man stelle sich diesen Lärm noch als Wettstreit mit dem Glockenspiel vom Kirchturm vor. Schlimmer wird’s nur wenn Politik sich noch einmischt… habe interessante Grafitties a Häuserwänden gesehen.

Egal, nicht mein Thema, bis zum Start der Arbeiten am Dachträger ist aber noch etwas Zeit… vor 9Uhr passiert definitiv nix, kennen wir auch schon. Der Arbeitstag endet normal wenn dunkel oder kein Bock mehr ist. Heute wohl mit etwas mehr Druck erst wenn erfolgreich von mir abgenickt. Respekt verschaffte sich schon immer nur derjenige der auch mit anpackt. Das Grundgestell steht gegen Mittag, die Feinheiten und Nährte versiegeln übernehme lieber ich.

Jetzt noch 6 Füße und eine Leiter, das ganze Ding grundieren, Morgen lackieren, rauf auf’s Dach und Abfahrt. Zwischendurch ist noch Zeit für nen Stadtbummel. Beim letzten Besuch war meine Mission die XT600 zu verkaufen, diesmal klappere ich die gleichen Läden ab und frage nach einer Motobecane Mobilette (ancienne model). Man erinnert sich an mich und hilfsbereit sind Marokkaner ja sowieso. Das Moped brauche ich nicht, suche ich für Lukas, der hat einen hübschen noch unbenutzten Heckträger am Bus und war von der Schwalbe Probefahrt so begeistert. Wir werden später von Jawad eingesammelt und fahren im klapprigen alten Renault zu einer Werkstatt und von dort mit noch jemand anderem im Schlepp zu einem Haus etwas außerhalb. Die meisten Häuser haben im Untergeschoss Garagenähnliche Tore, hinter denen sich mal Läden, mal Lager und mal Werkstätten verbergen. Hier war es ein BillardTisch und diese zwei Schönheiten.

Wahnsinnig tolle Gefährte, nur leider schon ne Weile unbenutzt und nicht in gewünschtem Zustand, quasi zu schade um damit die nächsten 10Wochen durch Marokko zu gondeln. Vielleicht aber ne super Wertanlage auf dem Weg in die Heimat? Wir bleiben in Kontakt und ich überlege mir das nochmal. Knapper Tausender ist ne Menge Holz, aber die derzeitige Verhandlungsgrundlage.

Wenn man sich sonst so vorstellt, wie Oldtimer hier behandelt werden oder was sich sonst so auf den Straßen bewegt, kann man eigentlich echt von Glück reden, dass die weggesperrt sind. Hier mal ein ziemlich kunstvoller Vertreter der Gattung Auffallen um jeden Preis. Handwerkliches Geschick und wilde Ideen vorausgesetzt. Jetzt weiß ich wer die MadMax Fahrzeuge erschaffen hat.

Weiter geht es also am Dachträger der nun mal Probe sitzen darf.

Nicht schlecht, was mit gebotenen Mitteln und etwas Planung des sonst unstrukturierten Arbeitens geschafft werden kann. Hier mal ein Blick in die Werkstatt. Man bedenke, nur eine dicke Flex-Scheibe, der Amboss auf nem Hackklotz, die Schleifmaschine ohne Funktion und das Masseband vom Schweißgerät ohne Klemme einfach an Metall angelegt.

Wir befinden uns in einer Wohngegend, Nachbarskinder spielen Fußball auf der Straße (nachdem ich mal den Ball aufgepumpt habe) Die Schwester vom Schweißer hat nebenan ne Backstube mit günstigen Ablenkungen und der Metallhändler knattert immer mal wieder die 100m mit dem Mofa rüber um zu gucken was noch gebraucht wird. Es läuft.

Nun auch wieder in meinem Wasserfilter, den Input dafür gab es um die Ecke, denn keines der Häuser verfügt hier über fließendes Wasser. Der Kiez-Brunnen also und ziemlich tief.

Marokkanisch leben und ich finde Gefallen dran. Man könnte es sich hier gut gehen lassen, und ich spiele mit dem Gedanken zu tauschen. Das Essen und Leben ist super und günstig, Wetter auch toll, ich könnte z.B. Dachträger für Europäer konzipieren und mir nebenbei ne kleine abgelegene Farm aufbauen. Helfer sind günstig und gute Arbeit wird auch anständig belohnt. Ich könnte meinen Ausweis tauschen… gibt doch genug die nach Deutschland wollen. Hier bleiben ist ja sonst rechtlich auch nicht so einfach, Nach drei Monaten Visa muss ausgereist werden.

Ich werde oft angesprochen ob man nicht mit rüber kommen kann, wozu frage ich dann… kalt und ungemütlich, teuer und spießig. Wer moralisch kein Arsch ist bekommt ohne Qualifikationen auch nur Jobs mit denen sich gerade mal die Miete tilgen lässt. Selbständigen werden Hürden in den Weg gelegt, davon träumen die Jungs aus der Werkstatt hier noch nicht mal. Keine Ahnung, ob die überhaupt Steuern zahlen müssen… so grüble ich über mein echt typisches Abendessen.

Wir werden heute nicht fertig und übernachten erneut vor der Moschee. Kommt mir ganz gelegen, denn dank facebook-Diskussion um mein Ofenrohr bekomme ich einen Tip vom Bekannten und setze dies am nächsten Morgen noch schnell in die Tat um. Mein Kumpel Ahmed schweißt standesgemäß in der Hocke mit Sonnenbrillenschutz meine zurechtgeschnittenen Ofenrohre zu nem Fallwind unabhängigen Abzug zusammen.

Lukas kann während dessen seinen Träger final streichen, die Grundierung kam gestern noch drauf. Die Leiter ist parallel in der Mache und unsere Abfahrt am Nachmittag mit dem Versprechen auf dem Rückweg nochmal vorbeizukommen besiegelt. Wir machen uns auf den Weg Richtung Essaouira quer durchs Land. Heute wird noch gefahren bis es dunkel ist und zwischen den größeren Ortschaften Rommani und Maaziz wurde das Nachtlager zufällig gefunden. Hinter einer Serpentine den Berg hinauf halten wir auf einem großen Schotterplatz und stoßen direkt auf einen Anwohner der uns erlaubt hier stehen zu bleiben. Erfolgreicher Tag, alle Glücklich.

Der Morgen dann mit großer Runde für Atlas, der die letzten beiden Tage die Stadtluft satt war. Der Hügel hinter uns ideal für den Spaziergang am Morgen. Er beherbergt eine dieser angesprochenen Farmobjekte die sich super zur Erfüllung einiger Träume anbieten würde. Olivenölproduzent zum Beispiel. Das Gebäude mal herrschaftlich errichtet und seit einigen Jahren leer. Substanz noch zu retten, mehrgeschossig, hübsche schattige Terasse, Nebengebäude und großes Wasserspeicherbecken… tolle Aussicht.

Die parkenden Busse dann im mittleren Fenster zu erkennen, verkehrsgünstig gelegen und trotzdem abseits genug. Hier könne ich es aushalten… warum eigentlich nicht?

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