Es-Semara in der Westsahara

Ich hab also auch Tantan hinter mir gelassen und bin auf dem Weg nach Süden. Wie schon angedeutet befinde ich mich im von Marokko besetzten Gebiet der Westsahara. Die Geschichte dazu erzählt euch sicherlich wikipedia, hat was mit Abziehenden Spaniern nach der Kolonialzeit und seither fehlender Einigung zu tun. Die Strecke an der Küste entlang hab ich beim letzten Mal unter die Räder genommen, will aber nun was Neues sehen. Ich lasse also die Lagune von Khenifess und das Teufelsloch sowie die „Kanarenfähre“ bei Tarfaya aus und biege direkt hinterm Flughafen Tantan in Richtung Smara ab. Der Plan ist später bei Laayoune wieder auf die N1 zu stoßen. Damit mache ich zwar einen Umweg von 150km, aber was sind hier unten schon Entfernungen.

Auf dem Foto sieht man meine Aussicht für die nächsten Stunden. Der einzige Unterschied nur hier ist links im Bild noch die Mauer vom Flughafen mit dem kleinen Wachturm dazwischen. Schonmal einen ummauerten Flughafen gesehen? Das geht nur hier in der Hamada, Steine gibt es genug.

Ich habe keine Eile und lasse es langsam angehen, Tempomat auf moderate 65KM/h eingestellt und gute Musik im Ohr. Ja, mein Truck ist zwar 35Jahre alt, aber wenn man den Standgasversteller (neu von Febi) ganz raus dreht braucht man den Fuß nicht auf dem Pedal zu lassen. Diese Strecke hier runter ist auch weit weniger frequentiert als die Küstenroute. Um mal nen Überblick zu geben folgende Karte:

karte

Sie zeigt das Gebiet der Westsahara, welches als letzte Kolonie Afrikas bezeichnet wird. Der Osten bis zur Algerischen Grenze mit einer weiteren Teilung welche als S.A.D.R. Sahara Arabisch Demokratische Republik bezeichnet wird. Der Konflikt mit der Polisario schwelt auch hier immer mal verschieden intensiv. Google hilft sicherlich. Die Sahaouris (Nomaden dieser Region) leben unter anderem in Flüchtlingslagern um Tindouf/Algerien. Ich habe mal einen bei Guelmim kennen gelernt, die haben nen eigenen Ausweis der den Übertritt dieser sonst für alle anderen geschlossenen Grenze ermöglicht.

Auf jeden Fall bewege ich mich auf diese Grenze zu und bin gespannt was mich erwartet. Für heute jedoch nicht mehr viel Strecke, die Sonne steht schon tief. Bei Abteih einem kleinen Ort mit 10Häusern und einem Militärposten muss ich mich ausweisen. Ich will nur noch ein Stück weiter und mir dann was abgeschiedenes suchen. Wie der Zufall so will entdecke ich was interessantes mehrere Hundert Meter abseits der Straße und finde eine Piste dorthin. Am Abend nach dem Kochen und Essen erkenne ich dann nicht mehr viel und spare mir die Fototour für den nächsten Morgen. Auf jeden Fall ist es hier ruhig, Atlas hat seine Freiheit und ich sogar Internet.

Die ersten Sonnenstrahlen am Morgen zeigen mir dann wo ich meine ruhige Nacht verbrachte. Durch die verfallenden Reste eines Tores bin ich gestern in eine ehemals ummauerte Anlage gekommen. Nur noch wenige Reste sind übrig und nicht zu Sand zerfallen.

Atlas ist auch ganz begeistert von der Umgebung und schnüffelt sich so durch die Gegend wo ich keinen einzigen Fußabdruck entdecken kann. Eigentlich wollte ich mal nen hübschen Sonnenaufgang fotografieren, doch irgendwie ist der immer blendender als der Untergang, jemand ne Ahnung warum? Auf jeden Fall ist das das Beste was ein altes iPhone hin bekommt.

Nach dem Frühstück mal auf zur Inspektion. Mich hat hier gestern nicht nur das Tor angezogen, in der Nähe gibt es haufenweise kuppelförmiger Hütten in geometrischer Anordnung.

Alle ziemlich zerfallen und erodiert, manche etwas weniger und sogar noch mit weißem Putz innen an den Wänden.

Zwei verschiedene Anlagen nebeneinander und beide mit etwas unterschiedlichen Formen, hier die zweite:

Die Eingänge nicht nach Himmelsrichtung sondern mittig in den umstellten Platz gerichtet, dort hab ich nur ein größeres Fundament entdeckt, keine Ahnung was das mal war…

Alles aus gestampftem Lehm gebaut und nur der Türsturz mit etwas Holz gestützt, der Rest erklärt sich von selbst.

Das größte Bauwerk wurde äußerlich sogar mit Steinplatten geschützt oder verziert, doch vieles davon liegt schon und man kann den Verfall erkennen.

Es gibt nur ein „Gebäude“ das rechteckig ist und davon stehen auch nur noch die untersten Reste nach dem Fundament. Wenn alle zur gleichen Zeit errichtet wurden spricht zumindest die Bauform Kuppel für Stabilität und Haltbarkeit. Wie gesagt ich habe keine Ahnung was das mal war. Militärlager? Für ein Dorf zu einheitlich und strukturiert. Etwas nördlich von Abteih und noch gut 150km weg von Smara.

Ein letztes Foto von vier abseits stehenden mit dem Truck erreichbaren Hütten zum Größenvergleich. Spuren von Fahrzeugen kann man wenn überhaupt nur sehr verweht entdecken. Also wo bin ich?

Zurück auf dem Asphalt dann wieder die übliche Sicht nach vorne. Meine Tanknadel bewegt sich kaum noch aber auf meiner Karte soll bald was kommen.

Und dann plötzlich aus dem und im Nichts zwei Sendemasten und fünf Tankstellen hintereinander, die ersten drei auf dem Foto sichtbar.

Jackpot denn hier kostet der Diesel 8,34 dH also knapp 80ct und damit 15-20 günstiger als im restlichen Marokko. Volltanken und weiter mit Tempomat gerade aus. Es gibt so gut wie keine Vegetation in der Umgebung, man sieht selten geologische Abwechslung wenn auch irgendwie mal ein paar Hügel kommen. Doch das hier haut mich aus den Socken. Hat da jemand vor oder versucht ne Plantage in die Wüste zu setzen? von was?

An der Kreuzung wo die RN17 auf die RN14 trifft entscheide ich mich zu einer Mittagspause und mache nebenbei Verkehrszählung. Falls hier jemand diesen Job hatte ist er vor Langeweile gestorben. Nach der ersten halben Stunde kam einer aus Richtung Assa, drei wollten nach Smara und zwei in die andere Richtung. Einer von denen war so mit der Kreuzung überfordert, dass er anscheinend die falsche Route einschlug und 500m weiter wenden wollte. Ein Landrover braucht dazu keine Straße, oder?

Durch mein Fernglas erkenne ich dies erst als ein Ford Transit zur Hilfe anhielt. Dachte vorher die halten da für ne Pause. In der Stille hört man ab und an Motorengeräusche aber es tut sich nix. Ich geh also mal gucken und inzwischen kam der nächste dort vorbei.

Ja, der Landy steckt fest und der Allrad funktioniert nicht. Niemand spricht französisch und meine Versuche zu erklären dass er nach hinten soll um neuen Schwung zurück auf die Straße zu holen versteht niemand. Die wollen nach vorne, also wird nur nach vorne probiert, auch wenn der Winkel ungünstig ist… man könnte es engstirnig nennen. Das wird so nix, ich hol dann mal die WALKÜRE.

Einer der Experten vorher hat das Seil an der Lenkstange fest gemacht, die ist nun logisch total verbogen, auch konnte damit keine Kraft übertragen werden. Ich ziehe also zum Erstaunen aller meine Abschleppstange raus, finde aber nix zum fest machen. Der „Experte“ wollte sie dann an seiner Stoßstange anbinden. Mit Blick auf die Schweißnähte hätte er die auch für nen Versuch geopfert. Ich tüdel das mal lieber um die Blattfeder am Hauptrahmen. Erster Gang keine Probleme, wenn ich auch das Gewicht gespürt habe. Der steckte gut fest. und ist nun wieder glücklich.
Nur 25km zurück nach Smara zur Reparatur, er entscheidet sich aber in die andere Richtung weiter zu fahren. zwei Hände breit Lenkspiel und in einer komischen Stellung interessiert hier niemanden. Egal, ich bin wieder unterwegs. Und etwas Stolz hat der Mercedes mal nen LandRover aus dem Sand gezogen.
Es-Semara oder Smara dann eine militärisch gut abgesicherte mittelgroße Stadt umgeben von zumindest etwas grün. Pompöser Kreisverkehr am Ortseingang und mein erster Stop bei diesem Gebäude.

Moschee, Kaserne, Radarstation, keine Ahnung oder alles in einem. Hübsche Details in der halb zerfallenen Ruine.

Im selben Stil nur etwas moderner dann ein öffentliches Bauwerk im Zentrum.

Gigantische Satellitenschüsseln am TV-Sender und auch an der Kaserne weiter südlich, ein hoher Wasserturm und auf der Hauptstraße ne Mittelinsel mit Grünstreifen und kleinen Palmen. Eigentlich ganz gut was los hier und in der Summe hübsch. Die Randbebauungen noch grau und ohne Putz, der Rest der kleineren Gassen dann wie üblich.

Unweit der Regierungsgebäude findet sich sogar ein kleiner Park mit grüner Wiese auf der sich Atlas gemütlich hin und her wälzt, ja ist schon ne Weile her.

Dahinter noch interessanter eine Art Theater mit Nomadenkulisse. Gibt es Krippenspiele im Islam?

Das Auffälligste aber sind die Kuppeln die einige Gebäude zieren. Eine Verbindung zu den vor 150km entdeckten Lehmkuppeln? Hab ich so noch in keiner anderen Region gesehen.

Hier in einem ganzen Viertel was ziemlich alt aussieht angesiedelt.

Smara also eine Perle in der Wüste. Ja nach Sichtweise, für mich aber trotzdem nur eine schnöde Stadt mit dem üblichen Müll und Dreck, dazu noch jeder Vierte in Uniform und jedes 10te Fahrzeug Militär. Mir reicht es, ich ziehe weiter. Hab ja noch gut Strecke vor mir um wieder zur Küste zu gelangen.

11 Gedanken zu “Es-Semara in der Westsahara

  1. Hof Schwarzes Moor schreibt:

    Du hast recht, Philip. Abteih ist ein altes Militärlager. Du warst da in einem kleineren Teil, welcher ummautert war. Halt ’ne Kaserne. Die eigentliche militärische Anlage ist mit einer Mauer weträumig umgeben. Diese Mauer verlief von der Stelle aus Richtung Westen, dann Süden und wieder nach Osten und kam ca. 2 km südlich von Abteih wieder an die Straße. Östlich der Straße folgte diese Befestigungsanlage dieser im Abstand von 100 bis 1000 Metern. An der Südost Ecke findet man auch heute noch beieindruckende Rundbautenruinen.
    In der Nähe verläuft die Regionalgrenze zwischen Guelmim und Laayoune. Mag sein, dass das in der heißen Zeit zwischen Marokko und Algerien und der Polisario eine umkämpfte Grenze gewesen ist.

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  2. Hans Peter Hauschild schreibt:

    Abtieh hieß früher Abattekh und spielte während des „Grünen Marsches“ 1975 eine wichtige Rolle als Aufmarschgebiet von Militär und Zivilisten. Mit Sicherheit stammt die Anlage aus dieser Zeit:
    wiki:“Seitens Marokkos war jedoch zwischenzeitlich die Präsenz in der Westsahara noch weiter verstärkt worden. In der Nacht vom 6. auf den 7. November 1975 wurden 100.000 Teilnehmer per LKW über Abattekh an die Grenze gebracht, die dann die Grenze zu Fuß überschritten. Dieser zweite Marschzug rückte sechs Kilometer in westsaharisches Gebiet ein und errichtete nördlich von El Haggounia ein zweites Zeltlager.[15] Noch am 7. November drang eine dritte Gruppe über Zag in Richtung Mahbes vor. Diese dritte Gruppe sollte große Teile des spanischen Militärs einkreisen.[15]“
    Die kuppelbauten in Smara stammen wie auch ähnliche in Laayoune und Dakhla aus spanischer Kolonialzeit und waren eine typische Bauweise für einfache Häuser für die einheimischen Sahraouis in den Städten.

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  3. Philip schreibt:

    Die Standgasversteller-Tempomat-Variante habe ich auch mal eine Weile so praktiziert. Allerdings auf deutscher Autobahn und bis zu dem Tag, als mir dann ein Vorderreifen geplatzt ist und ich erstmal gefühlt eine Minute schrauben musste, bevor ich den Motor runtergeregelt hatte. Danach habe ich mir das abgewöhnt. Wenn allerdings höchstens ein Sandhaufen die Fahrt abbremsen kann, würde ich das wohl auch wieder so machen. Danke für deine schönen Berichte!
    Gruß!
    Philip

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